Am 21. Juli 2022 erließ das Grünflächenamt des Berliner Bezirks Mitte eine Allgemeinverfügung, nach der der Konsum sowie das Mitführen alkoholischer Getränke im Monbijou- und James-Simon-Park in Berlin-Mitte von 22 bis sechs Uhr verboten sind. Die sofort vollziehbare Anordnung war bis Mitte September befristet.
Wir als Arbeitskreis Kritischer Jurist*innen der Humboldt Uni Berlin (akj Berlin) fanden dieses Verbot falsch und sind gemeinsam mit Rechtsanwalt David Werdermann gerichtlich dagegen vorgegangen. Mit Erfolg. Da es sich um eine sofort vollziehbare Allgemeinverfügung (also einen Verwaltungsakt) handelte, waren ein Widerspruch sowie ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beim Verwaltungsgericht (VG) statthaft. Verwaltungsakte regeln Einzelfälle, sie wirken konkret. Allgemeinverfügungen als Unterfall des Verwaltungsaktes richten sich zwar an beliebig viele Personen (hier alle potenziellen Parknutzer:innen), beziehen sich aber trotzdem auf konkrete Fälle. Ein Beispiel dafür sind Verkehrsschilder, die den Verkehr nur an einer bestimmten Stelle regeln. Im Gegensatz dazu stehen Gesetze, die eine Vielzahl von Fällen regeln, sie wirken also abstrakt. Auf unseren Fall übertragen wäre dies eine Regelung für alle Berliner Grünflächen statt nur für zwei Parks. Der Vorteil einer Allgemeinverfügung ist hier, dass die Behörde sie ohne Weiteres selbst erlassen kann. Dafür kann sie leichter angegriffen werden, es ist also zuerst ein Widerspruch bei der Behörde notwendig, danach kann vor dem VG geklagt werden. Zusätzlich mussten wir hier noch einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (umgangssprachlich auch Eilantrag) stellen, damit der Vollzug des Verbots für die Zeit bis zur Entscheidung über den Widerspruch verhindert wird.
Das VG folgte in seiner Urteilsbegründung weitestgehend unserer rechtlichen Auffassung, während sich die Argumentation des Bezirksamtes als größtenteils unhaltbar erwies. Wir hatten aber nicht nur rein juristische Beweggründe für unsere Klage. Auslöser für unseren Widerspruch war in erster Linie der politische Hintergrund des Alkoholverbots.
Stephan von Dassel, der ehemalige grüne Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, hat schon öfters durch populistische Aktionen Aufsehen erregt. Hier wollte er vorpreschen und seinem Ruf als Hardliner alle Ehre machen. Auch im Rahmen einer teilweise geführten allgemeinen Debatte um Alkoholverbote in Berliner Parks wollten wir ein Zeichen gegen Verdrängung und Law-and-Order-Innenpolitik setzen. Denn wen treffen solche Verbote in Parks am meisten? Es sind diejenigen, die sich einen anderen Aufenthaltsort nicht leisten können. Das reiche und durchgentrifizierte Scheunenviertel, in dem die Parks liegen, möchte schick und attraktiv für Tourist:innen sein. Dort ist kein Platz für Jugendliche, Wohnungslose oder andere, die von der Gentrifizierung nach außen gedrängt werden. Gerade, nachdem mehrere Jugendzentren in Berlin schließen mussten und die Coronakrise Jugendlichen längere Zeit jeden Raum genommen hat, sich zu treffen, ist es zynisch, ihnen auch noch die letzten unkommerziellen Aufenthaltsmöglichkeiten in der Stadt zu nehmen.
Für die Anordnung hatte das Grünflächenamt auf das Berliner Grünanlagengesetz, genauer gesagt auf eine dort geregelte Generalklausel, zurückgegriffen. Das Amt argumentierte in der Allgemeinverfügung, dass sich in den Wochen vor dem Erlass des Verbots immer wieder hunderte Personen in den aneinander angrenzenden Parks gesammelt hätten, um dort Alkohol zu trinken und zu feiern. Dies habe zu einer übermäßigen Nutzung der Grünanlage, starker Lärmentwicklung, Vegetatationsschäden, Vermüllung und Verschmutzung der Grünanlage geführt. Alkohol gelte als der Hauptkatalysator der Enthemmung, die zu diesen negativen Folgen beitrage.
In unserem Antrag argumentierten wir, dass die Generalklausel aus dem Grünanlagengesetz schon keine Rechtsgrundlage darstelle, da es sich in Wirklichkeit um klassische Gefahrenabwehr handele und das Berliner Polizeigesetz (ASOG) vorrangig sei. Dafür sprach vor allem die Vorgeschichte des Verbots: Der damalige Bezirksbürgermeister von Dassel hatte die Maßnahmen mit Straftatenprävention begründet. Außerdem führten wir an, dass diverse der angeblich zu verhindernden Verhaltensweisen im Grünanlagengesetz schon verboten waren und diese Verbote auch einfach durchgesetzt werden könnten, statt eine Vorfeldrepression in Bezug auf Alkohol einzuführen.
Auch machten wir geltend, dass die Maßnahme nicht geeignet sei, weil es einerseits nicht Voraussetzung für regelwidriges Verhalten ist, Alkohol getrunken zu haben und andererseits viele Leute auch Alkohol trinken und sich danach nicht regelwidrig verhalten. Die Verweise auf eine enthemmende Wirkung waren zu pauschal und nicht belegt. Diesen Argumenten schloss das Gericht sich an und sagte: Es gibt keine taugliche Rechtsgrundlage, die Maßnahme ist nicht geeignet, nicht erforderlich und nicht angemessen. Alles in allem also eine ziemlich krachende Niederlage für das Bezirksamt Mitte. Wir hoffen, der Debatte um ein neues Berliner Gesetz, das auch Alkoholverbote in Parks regeln soll, einen Dämpfer versetzt zu haben.
Wir finden, dass es sehr wichtig ist, gegen solche populistischen und sinnlosen Aktionen vorzugehen. Der Kampf gegen eine kommerzialisierte und gentrifizierte Stadt muss weitergeführt werden – und zwar nicht nur politisch mit Demos oder Stellungnahmen, sondern durchaus auch vor Gericht.