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Recht und Herrschaft

Ein Interview mit Altautor Tim Wihl

Von Redaktion

Was machst du aktuell? Beschäftigst du dich immer noch mit der Legitimation von Herrschaft?    
Ich arbeite einerseits am Thema „politischer Protest“ und dessen Regulierung in verschiedenen Demokratien und andererseits an Fragen der Land Commons, also der Möglichkeit, ein Recht jenseits von Markt und Staat für Land zu entwickeln. Beides hat recht unmittelbar mit dem Verhältnis von Recht und Herrschaft zu tun.

Wann ist Herrschaft legitim?
Herrschaft ist ein notwendiges Übel, sie gehört begrenzt und kontrolliert. Wichtig ist zu verstehen, dass Herrschaft nicht allein vom Staat ausgeht, sondern auch von anderen institutionell verfestigten Machtträgern. Die Legitimation von Herrschaft sollte sich aus möglichst vielen dezentralen Quellen speisen – also nicht nur einem als einheitlich vorgestellten Staatsvolk, sondern auch gesellschaftlichen Gegenmächten, ohne das Gleichheitsprinzip zu unterlaufen.

Welche Rolle spielen Grundrechte bei der Begrenzung von Staatsgewalt und wo stoßen sie an ihre Grenzen?
Grundrechte sind zentral, aber sie bedürfen der institutionellen Durchsetzung von oben ebenso wie ihrer faktischen Aneignung von unten. „Civic courage“ gibt Grundrechten erst ihre volle demokratische Bedeutung.

Dein Text von vor 14 Jahren ist theoretischer Natur und setzt einiges voraus, könntest du vielleicht für unsere heutigen Leser*innen das Problem der Input-/Output-Legitimation kurz und knapp darlegen und mit einem (aktuellen) Beispiel versehen? Wann ist Effizienz undemokratisch?
Es gibt nur Input-Legitimation, also die Berücksichtigung der „voice“ jeder einzelnen; es gibt keine Output-Legitimation, also die Akzeptanz des Staates aufgrund dessen irgendwie definierter Aufgabenerfüllung oder Leistungen. Diese Aussage des Textes ist heute so richtig wie damals. Die Erwartungen der Bürger:innen an den Staat sind unterschiedlich und in stetem Wandel. Deshalb haben wir ja demokratische Verfahren. Sie ermöglichen auch, „ineffiziente“ Politiker:innen abzuwählen oder durch Proteste zu Fall zu bringen. Manche Ineffizienz kommt bestimmten – vielleicht die Mehrheit bildenden – Gruppen auch zupass. Deshalb ist das keine demokratische Kategorie.

Im letzten Absatz des Textes schreibst du „Demokratie bedeutet Problemlösung“. Wo siehst du akute (Legitimations-)Probleme der modernen Demokratie in Europa?
Die Legitimationsprobleme der EU haben leider nicht abgenommen, weil in den letzten Jahren die nationalen Regierungen wieder eine stärkere Rolle übernommen haben. Wir warten immer noch auf die nötige Vollparlamentarisierung der europäischen Gesetzgebung. Das föderale Projekt Europa ist unabgeschlossen, bleibt aber eine große Hoffnung, um dem neuen kleingeistigen Nationalismus zu begegnen. Die heutigen (Umwelt- und Sozial-) Probleme sind mehr denn je solche, die neben lokal-regionalen europäische, wenn nicht globale Lösungen erfordern. Ich glaube, die europäische Demokratie ist erreicht, wenn wir große Demonstrationen in Brüssel so selbstverständlich finden wie solche in Berlin. Die Titelseiten der Zeitungen hat die EU-Politik längst erobert. Aber die Bürger:innen müssen nachziehen.

„Europäische Probleme“ scheint es aktuell genug zu geben, Solidarität jedoch umso weniger. Was braucht es für eine solidarische „EU jenseits des Bürokratismus“?
Erstens: Solidarität wächst eher von unten. Man muss sich kennenlernen und Vertrauen aufbauen. Das scheint in der jungen Generation schon besser zu klappen. Zweitens aber: Wenn wir die große Vertrauenskrise in die Politik insgesamt nicht lösen, können wir nicht erwarten, dass sich Solidarität von oben organisieren lässt. Die Kluft zwischen Oben und Unten muss sich schließen – und das ist ökonomisch wie politisch zu verstehen –, um die horizontalen Bruchlinien zugunsten einer egalitären „Solidarität unter Fremden“ zu verringern. Dazu kann die EU insofern einen Beitrag leisten, als sie sich auch als Sozialunion begreift, etwa rechtliche Mindeststandards definiert, sinnvolle Umverteilung betreibt und ihre vier „Grundfreiheiten“ wesentlich demokratischer – regulierungsfreundlicher – versteht.

Kategorien: Forum

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