Das 2009 erstrittene Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württembergs (VGH), mit dem das Alkoholverbot gekippt wurde, gehört zu den größten Erfolgen des akj Freiburg.
Der Landesgesetzgeber reagierte allerdings 2017 auf die gerichtliche Niederlage der Stadt Freiburg mit der Einführung einer neuen Ermächtigungsgrundlage: § 18 Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG B-W)1 ermöglicht den Kommunen nun den Erlass örtlicher Alkoholkonsumverbote auch ohne den Nachweis einer abstrakten Gefahr, an dem das in Form einer Polizeiverordnung ergangene Freiburger Alkoholverbot gescheitert war. Freiburg hat hiervon bislang keinen Gebrauch gemacht. Obwohl sich das erfolgreiche Verfahren des akj Freiburg, welches in der Gesetzesbegründung der Landesregierung explizit genannt wird,2 also auf ungewünschte Weise im Polizeigesetz niedergeschlagen hat, zeigt es, dass Studierende im Kampf gegen kommunale Law-and-Order-Politik mit rechtlichen Mitteln Erfolg haben können.
Was macht der akj Freiburg heute? Der akj Freiburg versteht zwei Dinge als seine Hauptaufgaben: Zum einen will er ein sozialer Rückzugsraum abseits des konservativen Jura-Mainstream für kritische linke Studierende sein. Hierzu organisieren wir neben den wöchentlichen Stammtischen jährlich eine Ersti-Hütte im Schwarzwald, gehen gemeinsam zu spannenden Gerichtsverhandlungen und spielen regelmäßig Fußball. Gerade haben wir das 50-jährige Bestehen des akj Freiburg zusammen mit vielen Ehemaligen gefeiert. Zum anderen hat der akj Freiburg den Anspruch, nach außen zu wirken und sich politisch einzumischen. Das tun wir u. a. durch unsere rechtspolitische Zeitschrift Breitseite,3 die Veranstaltungsreihe Tacheles4 sowie Stellungnahmen und Kampagnen, z. B. gegen den Wegfall von Ruhetagen während des 1. Staatsexamens.5
akj Freiburg v. Stadt Freiburg, Runde 2: Musikverbot
Außerdem klagen wir aktuell wieder: Am 24. August 2023 hat der akj Freiburg gemeinsam mit einem breiten Bündnis und in Kooperation mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Satzung der Stadt Freiburg beim VGH eingereicht.6 Auch diesmal geht es um eine Regelung, die das Verhalten junger Menschen im öffentlichen Raum betrifft. Die Rede ist von der neuen Freiburger Parkanlagensatzung. Sie schreibt in § 7 Abs. 2 vor, dass das Betreiben von Musikboxen sowie das Spielen von Musikinstrumenten in fast allen Freiburger Parks zwischen 23 Uhr und 6 Uhr verboten ist. Eine Erheblichkeitsschwelle bezüglich Lautstärke oder Nähe zu Anwohner*innen gibt es nicht. Musik wird pauschal verboten – also auch in Bereichen von Parkanlagen, die einen halben Kilometer von Wohnbebauung entfernt liegen. Wer dem zuwiderhandelt, riskiert die Beschlagnahme seiner Musikbox bzw. seines Instruments, ein Bußgeld in dreistelliger Höhe oder gar ein Nutzungsverbot für den gesamten Park. Der Gemeinderat hat die Satzung im Eiltempo beschlossen und dabei die von § 41a Abs. 1 S. 1 Gemeindeordnung verbindlich vorgeschriebene Jugendbeteiligung übergangen. Der Widerstand hiergegen ist vielfältig: eine große Nachttanzdemo,7 eine Petition8 und schließlich die Gründung eines Klagebündnisses unter Federführung des akj.9 Rechtliche Angriffspunkte sehen wir unter anderem in der Umgehung des Polizeirechts und des Erfordernisses einer abstrakten Gefahr durch den Erlass einer kommunalen Satzung und dem Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Parallelen zum Alkoholverbot sind zahlreich: In beiden Fällen wählte die Stadtverwaltung ein pauschales Verbot – damals Alkohol, heute Musik –, um unliebsames Verhalten größtenteils junger Menschen in den Abend- und Nachtstunden zu unterbinden. Der Konflikt zwischen dem Grundrechtsgebrauch junger Menschen, die oftmals nicht über private Rückzugsräume wie Gärten verfügen, und dem legitimen Interesse der Anwohner*innen an gesundem Schlaf wird dabei einseitig zulasten der Jugend aufgelöst. In einer Stadt mit teuren Bars, in der 2021 der einzige Späti schließen musste, werden junge Menschen auf der abendlichen Suche nach Räumen ohne Konsumzwang nun auch aus den Parks verdrängt. Einmal mehr steht Freiburg vor der Frage, die Thema des BAKJ-Kongresses in Berlin im Dezember 2022 war: Wem gehört die Stadt? Umso mehr ist zu hoffen, dass unser Antrag vor dem VGH ebenso erfolgreich sein wird, wie das Verfahren gegen das Alkoholverbot 2008/2009.
1 Damals als § 10a PolG B-W eingeführt.
2 LT-Drucksache 16/2741, 23.
3 https://breitseite.akj-freiburg.de/, (Stand aller Links: 28.8.2023).
6 Der Schriftsatz ist online zugänglich: https://freiheitsrechte.org/themen/demokratie/musikanlagen.
7 SWR v. 18.6.2023, „Nachttanzdemo“: Tausende ziehen durch Freiburg, 18.6.2023, https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/nachttanzdemo-freiburg-104.html.