Das Oberlandesgericht Naumburg (OLG) hat mit einem Beschluss vom 22. Oktober 2019 für eine neue Episode im nicht enden wollenden Justizskandal rund um Oury Jalloh gesorgt. Dieser war im Januar 2005 in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau-Roßlau verbrannt. Sein Bruder hatte Beschwerde dagegen eingelegt, dass die Staatsanwaltschaft Halle das Verfahren wegen eines möglichen Tötungsdelikts an Jalloh eingestellt hatte. Diese wurde vom Generalstaatsanwalt in Naumburg am 29. November 2018 zurückgewiesen. Daraufhin beantragte der Bruder, Klage gegen zwei möglicherweise beteiligte Personen zu erheben. Das OLG wies nunmehr das Klageerzwingungsverfahren als unzulässig und unbegründet zurück, insbesondere da die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht verneint habe, dass ein hinreichender Tatverdacht vorliege.
Der Tod Jallohs hat viele ungeklärte Fragen zur Verantwortlichkeit der beteiligten Polizeibeamten aufgeworfen. 2012 verurteilte das LG Magdeburg den zuständigen Dienstgruppenleiter wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 90 Euro (ein Urteil, das am 4.9.2014 vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde). Doch bereits im April 2014 leitete die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau ein neues Ermittlungsverfahren ein, das die Todesursachen genauer aufklären sollte. Dabei stellte sich durch verschiedene Gutachten heraus, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass sich Jalloh in seiner Zelle, in der er an eine feuerfeste Matratze gefesselt war, selbst entzündet haben kann und dass es fraglich ist, ob er überhaupt an dem Feuer gestorben ist. Daraufhin entzog die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg den Fall im Juni 2017 der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau und erklärte stattdessen die Staatsanwaltschaft in Halle (Saale) für zuständig, die das Ermittlungsverfahren am 12. Oktober 2017 einstellte. Nach der Beendigung des Klageerzwingungsverfahren liegt mittlerweile ein neues forensisches Gutachten zum Fall Jalloh vor, das die „Initiative Gedenken an Oury Jalloh“ in Auftrag gegeben hatte. Dieses geht davon aus, dass er vor seinem Tod schwer misshandelt wurde und liefert damit ein mögliches Motiv für die Brandlegung.
Es stellt sich nun die Frage, was in der Causa Jalloh weiter geschieht. Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses hatte der Landtag von Sachsen-Anhalt bisher abgelehnt, weil bereits zwei „Sonderberater“ mit der Sache befasst sind, aber auch weil das Ergebnis des Klageerzwingungsverfahrens abgewartet werden sollte.
Sollte es auch auf politischer Ebene zu keinen weiteren Aufklärungsbemühungen kommen, steht zu befürchten, dass der mögliche Mord an Oury Jalloh unaufgeklärt bleibt. Der Fall steht exemplarisch für den nachlässigen Umgang der deutschen Justiz und Politik, wenn es um schwerste Verbrechen gegen nichtweiße Menschen geht und der sich schon in der Verfolgung der Taten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gezeigt hat.