Heft 1 / 2001:
Fragwürdige Dienstleistung
Bundeswehr im Umbruch
xxx

Beatrice Kleinert Zum ersten Artikel des Schwerpunkts Zum ersten Artikel des Forums Zur Rubrik Recht kurz Zum Sammelsurium Zur Rubrik Politische Justiz Zur BAKJ-Seite
Anzeigeverhalten bei der Polizei
 

Bürger- und Menschenrechte gelten bei der Polizei im Rahmen der Umsetzung ihres staatlichen Gewaltmonopols oft als Hemmschuh der erstrebten Effektivität. Zu diesem Ergebnis kam unlängst eine Umfrage des Instituts für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Bielefeld. Ungeachtet der Tatsache, daß regelmäßig Straftaten im Dienst festgestellt werden, belegt die Studie, daß man bei der Polizei den Kollegen faktisch nicht als Straftäter wahrnimmt. Dem steht gegenüber, daß auch Polizisten von dem Legalitätsprinzip umfaßt sind. Dementsprechend gilt auch für sie der Grundsatz, daß beim Anfangsverdacht einer Straftat zu ermitteln ist. Doch diese theoretische Möglichkeit interner Kontrolle existiert de facto nicht. Im Rahmen von internen wie externen Überprüfungen potentiellen Fehlverhaltens von PolizeibeamtInnen stehen Ermittler häufig vor einer Mauer des Schweigens. Ursachen hierfür sind vor allem Gruppendruck, Kameraderie und das "Nestbeschmutzer-Syndrom", die sich wiederum durch innerpolizeiliche Abhängigkeiten und tradierte monokratische Befehlsstrukturen bis zum jeweiligen Minister erklären lassen. Aber auch das Beamtenrecht, daß Beschwerden nur über den Vorgesetzen zuläßt, verhindert Aufklärung, da viele PolizistInnen eine Chance der Beförderung nicht um der Rechtmäßigkeit willen in Kauf nehmen. Ein weiteres Defizit liegt darüberhinaus in dem Fehlen gesetzlicher Qualitätsanforderungen an Behördenleiter.
Ferner sind die Möglichkeiten externer Kontrolle sind äußerst gering. In der Regel bleibt dem potentiell betroffenen Bürger kaum ein Weg, sich gegen polizeiliche Übergriffe zur Wehr zu setzten. So ist ihm der Zugang zu den Strafgerichten durch das dazwischengeschobenene Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft erschwert. Stellt diese Verfahren gegen PolizeibeamtInnen ein, haben BürgerInnen wenig Möglichkeit, ein Klageerzwingungsverfahren durchzusetzen. Polizeiliche Eingriffsmaßnahmen (z.B.Durchsuchungen ) werden überwiegend im Rahmen des Rechtsinstitutes der "Gefahr im Verzug" ohne vorherige richterliche Entscheidung durchgeführt. Nach Abschluß dieser Maßnahmen ist nur unter erschwerten Bedingungen verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz (Fortsetzungsfeststellungsklage) zu erlangen. Noch schwieriger ist es nach abgeschlossenen Grundrechtseingriffen der Polizei, die ordentlichen Gerichte (§ 23 EGGVG) zur Überprüfung anzurufen.
Einen Ansatz zur Lösung der internen Problematik sehen Fachleute in der Einrichtung von Polizeibeauftragten. Sie hätten ein jederzeitiges Zutrittsrecht zu allen Polizeidienststellen mit Publikumsverkehr, ein Auskunfts- und Hospitationsrecht bei allen polizeilichen Einsatzmaßnahmen und ein umfassendes Recht auf Auskunftserteilung und Akteneinsicht gegenüber den Polizeibehörden. Sie übernähmen so die Funktion eines Ansprechpartners für BeamtInnen und Bürgerinnen. Darüberhinaus werden personelle Rotationen zur Vermeidung von polizeilichen Subkulturen, sowie eine Novellierung der für Selbstreinigungsprozesse kontraproduktiven Straftatbestände "Körperverletzung im Amt" und "Strafvereitelung im Amt" als Unterlassungsdelikte befürwortet. Maßnahmen die angesichts der Komplexität der Problematik wohl tatsächlich nur der Ansatz einer Lösung sind.

Beatrice Kleinert, Göttingen.