Heft 3 / 2001: Datenspuren Überwachung in der digitalen Welt |
Politische Justiz | |
Castor-GegnerInnen wegen versuchter Nötigung verurteilt Sieben Anti-Castor-DemonstrantInnen wurden Anfang Mai vom Amtsgericht Mannheim wegen versuchter gemeinschaftlicher Nötigung zu Geldstrafen verurteilt. Sie hatten sich mit Hilfe eines Stahlrohres unter einem Castor-Waggon paarweise angekettet. Sie wurden von Sicherheitskräften losgeschnitten und weggetragen, bevor es zu Verzögerung des Transports kam. Da die Angeklagten aber eine Verzögerung zumindest billigend in Kauf genommen hätten, sei der Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllt, so die Richterin. Sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft legten gegen das Urteil Rechtsmittel ein. Die Staatsanwaltschaft wollte eine Verurteilung wegen vollendeter Nötigung erreichen, da die Einsatzkräfte zum Handeln gezwungen worden seien. Linkeseite lahmgelegt Durch eine Polizeirazzia bei Oliver Barthel, dem Betreiber der linken Info- und Vernetzungs-website www.linkeseite.de, Anfang Mai ist dieses Internetprojekt für mehrere Wochen lahmgelegt worden. Der Durchsuchungsbeschluss war wegen des Verdachts ergangen, der Betreiber von linkeseite.de verbreite Schriften der verbotenen kurdischen Organisation DHKP-C. Er ist Inhaber der Domain "dhkc.de", gegen die sich der Vorwurf konkret richtet. Beschlagnahmt wurden bei der Aktion der Computer sowie das Modem des linkeseite.de-Betreibers. Außerdem nahmen die Ordnungskräfte einen Ordner mit Unterlagen der Organisation Rote Hilfe und einen weiteren Ordner mit politischem Schriftverkehr zur Sichtung mit. Laut Oliver Barthel hatte keiner dieser Ordner einen Bezug zum Tatvorwurf. Er geht davon aus, dass sich der Kriminalisierungsversuch konkret gegen das Projekt linkeseite.de richtet. Freispruch für Totalverweigerer gekippt Im November 2000 hatte das Amtsgericht Hamburg-Harburg den totalen Kriegsdienstverweigerer Jan R. vom Vorwurf der Dienstpflichtverletzung freigesprochen. Das für die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung zuständige Landgericht Hamburg konnte aber natürlich nicht über seinen Schatten springen. Im Mai wurde der 23-jährige Student zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Vorsitzende Richter gestand dem Kriegsdienstverweigerer immerhin zu, dass "seine Ziele nicht unehrenhaft" seien. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei er aber an die Anwendung des Zivildienstgesetzes gebunden, so dass die Strafe verhängt werden müsse. Jan R. wurde darauf verwiesen, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Zunächst geht er aber erstmal in Revision. Alltäglicher Bundesgrenzschutz-Rassismus Drei Tage nach der Demonstration von Flüchtlingen und UnterstützerInnen
gegen die Residenzpflicht in Berlin am 19. Mai 01 machte ein Übergriff
des Bundesgrenzschutzes (BGS) in einem Zug der Deutschen Bahn deutlich,
zu welchen rassistischen Repressionsmaßnahmen dieses Instrument führt. Projekt X fordert Opfer Das niedersächsische sogenannte Projekt X (Vgl. FoR 2001, 31), hat Ende
April neue Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als internationale Menschenrechtsorganisationen
den mutmaßlichen Foltertod des syrischen Kurden Hussein Daoud meldeten.
Er sei an Verletzungen gestorben, die er im Polizeigewahrsam in Damaskus
erlitten habe, nachdem er aus dem "Projekt X" im Dezember 2000 abgeschoben
worden war. Staatsschutz (er)findet neue RAF Gut, dass es Genanalysen und Gendatenbanken gibt. Mit Hilfe dieser Techniken
sorgen Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft dafür, dass ihnen die
Arbeit nicht ausgeht. Da wurde Mitte Mai veröffentlicht, dass genetisches
Material von Wolfgang Grams mit dem Anschlag auf den Treuhand-Chef Rohwedder
in Zusammenhang gebracht werden konnte - damit auch alle wissen, was für
ein böser Terrorist Grams war. Ein paar Tage später setzte die Bundesanwaltschaft
noch kräftig einen drauf: Weil die Beteiligung von zwei Personen aus dem
Umfeld der RAF, Ernst-Volker Staub und Daniela Klette, an einem Überfall
auf einen Geldtransporter im Juli 1999 - ebenfalls durch Genanalysen -
festgestellt werden konnte, wurde gleich medienwirksam die Bildung einer
neuen terroristischen Vereinigung ("Neue RAF", "4. Generation der RAF"
usw.) bekanntgegeben. Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft sagte dazu,
der Überfall trage "alle Merkmale einer terroristischen Beschaffungstat".
Weiterhin sei es "lebensfremd" anzunehmen, dass ehemalige RAF-Kader ihr
Leben "als ,normale' Schwerkriminelle ohne revolutionäres Ziel verbringen
könnten".
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