Neun Polizisten der brandenburgischen Bereitschaftspolizei posieren vor einer schwarz gestrichenen Wand auf der in riesigen Großbuchstaben „Stoppt Ende Gelände“ steht. Rechts und links neben dem Schriftzug wurden riesige Krebse gemalt, die, dem Stadtwappen von Cottbus entlehnt, insbesondere von der rechtsextremen Kampagne „Defend Cottbus“ genutzt wird. Das Bild wird in der Telegramgruppe eben dieser Gruppe geteilt und gelangt von dort aus schnell in die sozialen Netzwerke. Das alles ereignet sich Ende November 2019, nur wenige Tage bevor die Aktivist*innen von „Ende Gelände“ in der Lausitz protestierten und die Polizei zum Großeinsatz ausrückte.
Die Polizeiführung reagiert schnell und öffentlichkeitswirksam: Gegen die neun werden Disziplinarverfahren eingeleitet. (Wohlbemerkt sei, dass im Januar 2020 diese Verfahren allesamt eingestellt wurden.) Auch das Überstreichen des Schriftzugs übernehmen die Freunde und Helfer selbst. Jedenfalls teilweise. Gegen Ende der Malerarbeiten sei ihnen die Farbe ausgegangen, so melden die dazu verdonnerten. Übrig bleiben die Krebse. Und die Buchstaben „DC“ – „Defend Cottbus“, die aus den letzten Buchstaben des Wortes „Gelände“ entstanden sind. Kann schon mal passieren, wenn die Farbe ausgeht.
Die Twitter-Redaktion der Forum Recht jedenfalls hat sich bei dieser Erzählung zu Recht gefragt, an welchen Stellen noch einfach die Farbe ausgegangen ist. Ob all die Hakenkreuze auf den Wänden, Mauern und Scheiben deutscher Städte und Dörfer tatsächlich von Nazis gesprüht wurden oder doch eher das versehentliche und zufällig Ergebnis chronischen Farbmangels der Bundesrepublik sei. Ganz im Geiste von investigativem Spitzenjournalismus stellte sie diese Theorie der Polizei Brandenburg auf Twitter vor. Als ein mögliches Beispiel für einen solchen Fall wurde ein Foto eines Hakenkreuzes an einer Wand mit einer Überschrift beigefügt.
Die Polizei Brandenburg wollte sogleich, pflichtbewusst wie wir sie kennen, Ermittlungen gegen die Sprayer einleiten und bat die Redaktion um Ortsangabe des Hakenkreuzes. Damit konnte die Twitter-Redaktion, die ja lediglich weitere Beweise für die Theorie des chronischen Farbmangels sammeln wollte, jedoch nicht dienen. Das wiederum führte zu einer tragischen Wendung. Wie so oft in der Geschichte gerieten jene, die auf der Suche nach der Wahrheit unbequemen Fragen stellten, selbst ins Fadenkreuz polizeilicher Ermittlungen: Der Polizei Brandenburg hatte den ihr bisher scheinbar weitgehend unbekannten § 86 a I StGB, Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole, entdeckt und angekündigt gegen die Forum Recht Ermittlungen einzuleiten. Bedauerlicherweise blieb ihr der folgende Absatz, der auf § 86 II StGB verweis und damit die satirische, wissenschaftliche oder journalistische Verbreitung vom Verbot ausnimmt, weiterhin unbekannt. Trotz freundlichem Hinweis auf diesen Absatz und letztlich der Dudendefinition von Satire, ließ sich der Drang der Internet-Cops ihrem Verständnis von Recht und Gerechtigkeit zum Durchbruch zu helfen nicht mehr aufhalten.
Uns bleibt nun (wohlbemerkt zum ersten Mal in unseren jungen Leben) zu hoffen, dass zumindest die Staatsanwaltschaft Brandenburg, das Strafgesetzbuch halbwegs ernst nimmt.