Ohne sie liefe schon lange nichts mehr: Über 100.000 Studierende sind bundesweit an den Hochschulen beschäftigt – fast flächendeckend ohne Tarif, meist ohne Personalvertretung. Die Zeiten, in denen eine Hand voll Hilfskräfte vorzugsweise den ProfessorInnen die Tasche hinterhertrug, sind längst vorbei. In weiten Bereichen der Verwaltung stünden ohne sie die Räder still, Rechenzentren würden zusammenbrechen, Bibliotheken blieben geschlossen. Die ‚Hilfskräfte‘ leisten Verwaltungstätigkeiten im Studierendensekretariat, bieten Studienberatungen an, leiten als TutorInnen selbstständig ergänzende Lehrveranstaltungen oder unterstützen die ProfessorInnen in der Forschung. Das Ganze für höchstens 8,02 Euro pro Stunde und ohne jegliche tarifvertraglichen Leistungen. Arbeitgeberfreundlicher geht es kaum.
Gängige Praxis der öffentlichen ArbeitgeberInnen ist es, die Studentischen Beschäftigten unabhängig von ihrer Tätigkeit als „wissenschaftliche Hilfskräfte ohne Examen“ einzustellen. Damit wird der seit 1. Januar 2002 auch für geringfügig Beschäftigte bestehende Anspruch auf Beschäftigung nach Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) vielfach unterlaufen. Auch deshalb wäre es an der Zeit, eine tarifrechtliche Absicherung aller Studentischen Beschäftigten durchzusetzen – nicht zuletzt in Anbetracht der sich kontinuierlich verschlechternden sozialen Lage der Studierenden.
TdL-Richtlinie statt Tarifvertrag
Einzig in Berlin wurde bereits 1979 ein einheitlicher Tarifvertrag für alle studentischen Beschäftigten mit einem Tutorenstreik erkämpft. Im übrigen Bundesgebiet wird zwischen studentischen ‚Hilfskräften‘ und ‚Angestellten‘ unterschieden. Während studentische Angestellte (eigentlich) nach BAT beschäftigt werden müssen, gilt für die ‚Hilfskräfte‘ lediglich eine Richtlinie der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Diese könnte als Lehrstück der Arbeitgeberwillkür dienen: Sie regelt ausschließlich, was den Beschäftigten nicht gewährt werden darf. Für die Vergütung sind Obergrenzen festgelegt, die seit 1993 nicht angehoben wurden. „Tarifliche Leistungen werden nicht gewährt“, so die Richtlinie weiter, und: „Die übrigen Arbeitsbedingungen richten sich nach den gesetzlichen Vorschriften“. Im Klartext: Schlechter geht’s nicht. Selbst die Durchsetzung gesetzlicher Standards wie Mindesturlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall muss mühsam erkämpft werden – vom Kündigungsschutz ganz zu schweigen.
Im vergangenen Sparjahrzehnt hat sich die Personalsituation an den Hochschulen deutlich verschärft. Da die Hochschulmitglieder nicht in der Lage waren, wirkungsvollen Widerstand gegen den staatlichen Rotstift zu realisieren, wurde der Sparzwang einfach an die schwächste Gruppe weitergereicht: Reguläres Personal in Technik und Verwaltung wurde massenhaft abgebaut und durch studentische Beschäftigte ersetzt.
Schöne neue Arbeitswelt
Diese Situation liegt im Trend einer Zunahme flexibilisierter Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen insgesamt. Unbefristete Arbeitsverhältnisse wurden in den vergangenen Jahren aktiv verdrängt und sind unterhalb der Professur längst zu einer Seltenheit geworden. Eine wachsende Gruppe von ArbeitnehmerInnen ist freiberuflich tätig und verdient ihren Lebensunterhalt durch ein Mosaik von Lehraufträgen, Werkverträgen und Stipendien.
Die soziale Absicherung ihrer MitarbeiterInnen schieben die Hochschulen als öffentliche Arbeitgeberinnen damit zunehmend auf die einzelnen Beschäftigten ab.
Trotzdem sind Jobs an der eigenen Uni für viele weiterhin attraktiv. Sie ermöglichen den Studierenden oftmals, sich ein detaillierteres Bild vom Tätigkeitsfeld Hochschule zu machen und sich gleichzeitig weiter zu qualifizieren. Doch auch wenn wissenschaftsnahe Jobs durchaus auch als Teil der Ausbildung angesehen werden können, handelt es sich nicht um Lehrveranstaltungen für Hilfskräfte, sondern um notwendige, den Hochschulbetrieb erst ermöglichende Tätigkeiten. Dass Studis dabei auch etwas lernen, kann kein Grund sein, diese Arbeit nicht angemessen zu vergüten.
Tatsächlich arbeiten Studis auch nicht aus reiner Liebe zur Wissenschaft. Nach der 16. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks jobben inzwischen zwei Drittel der Studierenden neben dem Studium, 62 % davon, weil sie auf den Zuverdienst unbedingt angewiesen sind. Erwartungsgemäß sind es die Studierenden aus sozial schwachen Familien, die am häufigsten eigenen Verdienst zur Bestreitung des Lebensunterhalts einsetzen. 1
An den Hochschulen zu arbeiten, können sich daher viele gar nicht leisten: Zu unsicher ist eine Weiterbeschäftigung im folgenden Semester, zu schlecht die Bezahlung. Wer auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlten Urlaub und Kündigungsschutz angewiesen ist, ist mit einem Job außerhalb der Uni oft besser beraten. Eine vernünftige soziale Absicherung Studentischer Beschäftigter würde demnach nicht zuletzt zur Chancengleichheit an den Hochschulen beitragen (was eine grundlegende Reform der Ausbildungsförderung natürlich nicht ersetzen, sondern nur ergänzen kann).
Hilfskräfte oder Angestellte nach BAT?
Studentische Beschäftigte haben in anbetracht der geschilderten Arbeitsbedingungen wenig Anlass, als „studentische Hilfskraft“ gelten zu wollen. Dennoch hat sich in den letzten Jahren ein praktisch synonymer Gebrauch der Begriffe „Studentische Beschäftigte“, „Studentische Angestellte“ und „Studentische Hilfskräfte“ an den Hochschulen durchgesetzt.
Tarifrechtlich ist die Trennlinie zwischen Studentischen Angestellten und Hilfskräften dagegen relativ klar definiert. Der § 3 Buchst. g BAT spricht von „wissenschaftlichen Hilfskräften“, die nach bestehender Praxis in wissenschaftliche Hilfskräfte mit und solche ohne Examen unterteilt werden. Studentische Hilfskräfte wären demnach als „wissenschaftliche Hilfskräfte ohne Examen“ einzugruppieren.
Im Kommentar zum BAT heißt es dazu, entscheidend für die Einstufung als wissenschaftliche Dienstleistung sei stets, welche „Nähe [der Arbeitnehmer] zur wissenschaftlichen Tätigkeit“ habe. Damit werden alle Tätigkeiten ausgeschlossen, die keinen unmittelbaren Bezug zur wissenschaftlichen Lehre und Forschung haben, in jedem Falle also jene im Bereich von Technik und Verwaltung.
Nach diesen Merkmalen wäre es im Allgemeinen sicher möglich zu unterscheiden, welche der studentischen Beschäftigten als Angestellte unter den BAT fallen und welche als wissenschaftliche Hilfskräfte ohne Examen einzugruppieren und somit aus dem BAT ausgeschlossen sind.
Denn bereits das Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 schreibt vor, dass Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollbeschäftigten nicht benachteiligt werden dürfen, wenn es dafür keinen sachlichen Grund gibt. In Folge dieses Gesetzes wurde das Tarifrecht nach und nach auf Verträge unterhalb der Halbtagsbeschäftigung ausgedehnt. Seit der BAT-Novelle von 1997 wurden auch studentische Angestellte vom Tarifrecht erfasst, sofern der Beschäftigungsumfang die Geringfügigkeitsgrenze der gesetzlichen Sozialversicherung überschritt (§ 3 Buchst. n BAT bzw. § 3 Abs. 1 Buchst. m MTArb).
Die Hochschulen reagierten auf diese Novelle – wen wundert’s – mit einem massiven Anstieg von Beschäftigungsverhältnissen unterhalb der Sozialversicherungsgrenze. Nach einer erfolgreichen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ist nun mit dem 77. Änderungstarifvertrag zum BAT zum 1. Januar diesen Jahres auch diese Grenze weggefallen, so dass ausnahmslos alle Studentischen Angestellten seit Jahresbeginn nach dem BAT beschäftigt werden müss(t)en.
Einheitliches Tarifrecht für alle Studierenden
Es bleibt den ArbeitgeberInnen nur noch eine Möglichkeit, Studierende außerhalb des Tarifrechts zu beschäftigen: Nach § 3 Buchst. g BAT sind lediglich die so genannten „studentischen Hilfskräfte“ nach wie vor aus dem BAT ausgeschlossen. Die Hochschulen müssten also mindestens den Status ihrer übrigen Studentischen Beschäftigten neu definieren.
Statt jedoch die von BAG und EUGH gezogene Trennlinie zwischen Studentischen Angestellten und Hilfskräften nachzuvollziehen, bietet der vorhandene Handlungsbedarf die Chance, in Tarifverhandlungen eine einheitliche tarifrechtliche Grundlage für die Arbeitsverhältnisse aller Studentischen Beschäftigten zu schaffen. Denn betrachtet man Motivation und konkrete Tätigkeit der studentischen Beschäftigten, so fällt es schwer, die Unterscheidung der beiden Gruppen nachzuvollziehen: Der überwiegende Teil der Studentischen Beschäftigten arbeitet inzwischen aufgrund der Notwendigkeit, den eigenen Lebensunterhalt (mit) zu finanzieren. Zur konkreten Tätigkeit Studentischer Beschäftigter stelle man sich ein Kopiergerät vor, an dem eine Studentin Kopien für die Vorlesung von Prof. X anfertigt und eine andere Studentin Kopien für die Verwaltungseinheit Y. Letztere fällt unter den BAT, die erste nicht. Dies macht schon aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes keinen Sinn.
Sollten sich allerdings die öffentlichen ArbeitgeberInnen an einer politischen Lösung für alle innerhalb des BAT nicht interessiert zeigen, gibt es keinen Grund für die jobbenden Studis, ihre pauschale und vielfach unrechtmäßige Eingruppierung als Hilfskräfte zu akzeptieren und sich damit um ihren Anspruch auf tarifliche Leistungen prellen zu lassen.
Soziale Verantwortung der Hochschulen
Statt in ihren Leitbildern folgenlose Lippenbekenntnisse zur Chancengleichheit und zur Bedeutung umfassender akademischer Bildung zu leisten, sind die Hochschulen aufgerufen, durch eine tarifvertragliche Absicherung tatsächlich soziale Verantwortung für ihre Beschäftigten zu übernehmen. Dies wird um so wichtiger, als in den letzten Jahren zunehmend reguläres Personal abgebaut (oder nicht neu eingestellt) und durch „studentische Hilfskräfte“ ersetzt wurde. Bei einer tariflichen Absicherung der studentischen Beschäftigten geht es also auch darum, dem Personalabbau bei den nach BAT beschäftigten KollegInnen einen Riegel vorzuschieben.
Ohne deutlichen Druck auf breiter Basis wird sich eine tarifvertragliche Absicherung aller Studentischen Beschäftigten auch in der jetzigen Situation nicht durchsetzen lassen. Deshalb haben sich Betroffene und hochschulpolitisch Aktive bereits zu einer bundesweiten Tarifvertragsinitiative zusammengeschlossen. Aber auch die Gewerkschaften sind aufgerufen, sich für einen Bereich einzusetzen, in dem der gewerkschaftliche Organisationsgrad bislang ernüchternd ist. Nicht nur, aber auch, weil sich die Beschäftigungsverhältnisse der tariflich beschäftigten KollegInnen langfristig nur durch diesen Blick über den Tellerrand wirkungsvoll absichern lassen.
Anmerkung:
1 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2000. 16. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Bonn 2001.