Noch immer wird der Hamburger G20-Gipfel von 2017 juristisch aufgearbeitet. Dabei kommt es mitunter zu Ergebnissen, die den Eindruck erwecken, dass nicht nur juristische Argumente die Entscheidungsfindung beeinflussen. Als Beispiel kann ein Prozess dienen, in dem das Landgericht Hamburg den 31-jährigen Toto aus Kiel am 6. September 2019 zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung verurteilt hat. Toto soll am 6. Juli 2017, dem Abend der Welcome-to-Hell-Demonstration in Hamburg, eine Flasche auf einen Polizisten geworfen (und nicht getroffen) haben.
Die Beweislage ist dünn. Ein Polizeibeamter behauptete einem Bericht der Taz zufolge, er habe Toto anhand eines schwarzen Fischerhuts identifiziert.[1] Nicht das eindeutigste Erkennungszeichen, wenn man berücksichtigt, wie viele Menschen mit schwarzen Fischerhüten an diesem Tag unterwegs gewesen sein dürften, zumal bei Toto kein solcher Hut gefunden wurde. Im Einsatzbericht der Polizei ist von diesem zudem keine Rede. Auch auf Videos, welche die Staatsanwaltschaft im Verfahren vorgelegt hatte, ist Toto nicht zu erkennen.
Weil sich Toto bereits innerhalb einer offenen Bewährungsfrist befand, fiel das Strafmaß drastisch aus. Nicht drastisch genug für die Staatsanwaltschaft, die – wie auch die Verteidigung – nach dem Prozess Berufung einlegte. Der Berufungsprozess fand am 16. April 2020 statt – mitten während der durch Corona bedingten Versammlungsbeschränkungen. Immerhin konnte vor Ort eine Kundgebung von einigen Personen stattfinden, die natürlich einen Sicherheitsabstand hielten und mit Masken und Handschuhen ausgerüstet waren. Trotzdem versuchte die Polizei, die Auflage einer maximalen Teilnehmer*innenzahl von zehn durchzusetzen, erteilte laut der Solidaritätsgruppe von Toto Platzverweise und beschlagnahmte Fahnen sowie Transparente.
Im Ergebnis wurde das Strafmaß auf ein Jahr und zwei Monate korrigiert und zur Bewährung ausgesetzt. Ein kleiner Erfolg also, der jedoch nichts an der zweifelhaften Beweislage ändert.
Weitere Informationen zum Verfahren finden sich auf der Homepage der Unterstützer*innengruppe von Toto: freetoto.noblogs.org.
[1] https://taz.de/Fragwuerdiges-Urteil-in-G20-Prozess/!5653053/ .