Durch die neuen Polizeigesetze der Länder werden aktuell Grundrechte weiter beschränkt und polizeiliche Befugnisse stärker ausgeweitet. Dies ist allerdings keine neue Entwicklung. Beispielhaft hierfür ist das Schutzwaffenverbot auf Demonstrationen von 1985, welches heute kaum noch kontrovers diskutiert wird. Dabei ist es willkürlich und stellt eine starke Beschränkung der Versammlungsfreiheit dar.
Erst Anfang 2019 wurde ein Aktivist wegen eines Verstoßes gegen das Schutzwaffenverbot nach §§ 17a I, 27 II Nr. 1 Versammlungsgesetz (VersG) zu 30 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Als Schutzwaffe deklariert wurde eine Kunststofffolie, die er sich zum Schutz vor Pfefferspray vor die Augen gebunden hatte.[1] Doch kann eine simple Plastikfolie vor den Augen tatsächlich eine strafbare Handlung darstellen?
Schutzwaffen sind keine Waffen im herkömmlichen Sinne, sondern Gegenstände, mit denen man sich gegen Angriffe schützen kann, wie zum Beispiel ein Motorradhelm oder eine Atemschutzmaske. Das Verbot von Schutzwaffen gemäß § 17a I VersG wurde 1985 unter der Bundesregierung Kohl verabschiedet. Verkündet wurde das Gesetz absurderweise nur einen Monat, nachdem das Bundesverfassungsgericht in der Brokdorf-Entscheidung festgestellt hatte: „Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess teilzunehmen, gehört zu den unentbehrlichen Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens. Diese grundlegende Bedeutung des Freiheitsrechts ist vom Gesetzgeber beim Erlass grundrechtsbeschränkender Vorschriften […] zu beachten.“[2] Zunächst galt ein Verstoß gegen das Schutzwaffenverbot als Ordnungswidrigkeit, bis sechs Jahre später, nach wie vor unter Kohl, § 27 II Nr. 1 VersG eingeführt wurde, welcher eine Strafbarkeit bei Verstoß gegen § 17a I VersG normierte. Mit dem Verbot wurde auf einen generellen Anstieg von Protestereignissen und Demonstrierenden, die sich insbesondere gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland und den Ausbau der Atomenergie wandten, reagiert. Der folgende Text befasst sich mit dem Versammlungsgesetz des Bundes. In den Landesgesetzgebungen sind allerdings oft vergleichbare Regelungen zu finden.
Das „martialische Erscheinungsbild“
Gemäß § 17a I VersG ist es verboten, „bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel […] oder auf dem Weg dorthin Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren, mit sich zu führen“. Verboten ist sowohl das offene als auch das verdeckte Tragen dieser Schutzausrüstung. Unterschieden wird dabei zwischen Schutzwaffen im technischen und im untechnischen Sinne. Unter ersteren versteht man Schutzausrüstung, wie sie im polizeilichen beziehungsweise militärischen Bereich oder bei Kampfsportarten genutzt wird. Hierzu zählen zum Beispiel Stahlhelme, ABC-Schutzmasken oder ein Mundschutz, welcher unter anderem beim Boxen als Schutz dient. Schutzwaffen im untechnischen Sinne dagegen sind alle anderen Gegenstände, die sich wie eben Genannte verwenden lassen. Hierzu zählen zum Beispiel Motorradhelme oder Körperpolsterungen. Um den Kreis der verbotenen Gegenstände zu begrenzen, benötigen Schutzwaffen im untechnischen Sinne eine Entsprechung unter den Schutzwaffen im technischen Sinne. So könnte beispielsweise der Motorradhelm einem militärischen Helm und Schienbeinschoner einer Kampfrüstung entsprechen. Zudem muss laut Gesetzeswortlaut neben dem reinen Mitführen die Absicht vorliegen, sich mit dem Gegenstand gegen Vollstreckungsmaßnahmen zu schützen. Vom Verbot ausgenommen sind Gegenstände, die lediglich der Meinungskundgabe dienen oder eingesetzt werden sollen, um sich zum Beispiel gegen gewaltbereite Gegendemonstrant*innen oder die Streuwirkung von Wasserwerfern oder Pfefferspray der Polizei zu schützen.[3]
An diesem Punkt stellt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck des Verbots. In der Bundestagsdrucksache 10/3573 vom 26.06.1985 wird festgehalten, dass es in der Vergangenheit während Demonstrationen gehäuft zu Gewalt gegen Personen und Gegenstände gekommen sei. Um dieser Gewalt umfassender begegnen zu können, bedürfe es neuer Regelungen wie zum Beispiel der Einführung eines Schutzwaffenverbots.[4] Dieses solle gewalttätige Ausschreitungen verhindern, da „Teilnehmer[*innen], die solche Schutzwaffen mit sich führen […] aufgrund ihres martialischen Erscheinungsbildes eine offenkundige Gewaltbereitschaft [dokumentieren] und […] auf die Menge nach massenpsychologischen Erkenntnissen eine aggressionsstimulierende Wirkung aus[üben].“[5] Des Weiteren habe der Staat ein Interesse daran, hoheitliche Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen, ohne dass diese durch Schutzbewaffnung in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden könnten.[6]
Unbewiesene Annahme als Grundlage für Gesetzgebung
Der Gesetzgeber führt für die Annahme der aggressionsstimulierenden Wirkung von Schutzwaffen keine Quelle an. In der Literatur wird deshalb teilweise von einer „nicht bewiesenen, aber plausiblen Annahme“[7] des Gesetzgebers gesprochen. Doch eine Plausibilität dieser Annahme ist fraglich. Ein Zusammenhang zwischen der Anwesenheit von Schusswaffen und einer Steigerung des aggressiven Verhaltens von Individuen wurde in Versuchssituationen zwar festgestellt,[8] ob sich diese Erkenntnis allerdings unmittelbar auf Schutzwaffen übertragen lässt, bei welchen es sich, wie oben ausgeführt, nicht um Waffen im herkömmlichen Sinne, sondern um Schutzausrüstung handelt, ist zumindest zweifelhaft. Möglicherweise ist davon auszugehen, dass Menschen, die gewaltbereit an Demonstrationen teilnehmen, dazu tendieren, auch Schutzwaffen zu tragen, dies bedeutet wiederum aber nicht, dass Menschen, die Schutzwaffen tragen, grundsätzlich gewaltbereit sind. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Wahl einer passiven Bewaffnung auch gerade gegen Gewaltbereitschaft und lediglich für die Sorge vor dem Auftreten von Gewalt sprechen kann. Folglich lässt sich anhand des Tragens von Schutzwaffen nicht auf eine mögliche Gewaltbereitschaft des*der Demonstrationsteilnehmer*in schließen.
Zudem wird das angeblich aggressionsstimulierende „martialische Erscheinungsbild“[9] von Schutzwaffenträger*innen problematisiert, mit dieser Begründung dann aber absurderweise auch das verdeckte Tragen von Schutzwaffen verboten. Diese können logischerweise, da sie unsichtbar getragen werden, kein martialisches Erscheinungsbild erzeugen. Zudem hat die Einführung des Schutzwaffenverbots sein Ziel, gewalttätige Ausschreitungen auf Demonstrationen zu reduzieren, nicht erreicht: Das Gewaltaufkommen auf Demonstrationen schwankt von Jahr zu Jahr, es ist allerdings kein eindeutiger Abnahmetrend seit 1990 zu erkennen.[10]
Rechtswidrigkeit des Selbstschutzes
Polizeiliche Vollstreckungsmaßnahmen wie beispielsweise Wasserwerfer-, Pfefferspray- oder Schlagstockeinsätze auf Demonstrationen gehen regelmäßig mit Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit der Demonstrationsteilnehmer*innen einher, welche in Art. 2 I 1 Grundgesetz (GG) gewährleistet wird. Das Schutzwaffenverbot wiederum verbietet es Demonstrierenden, sich gegen diese Maßnahmen durch Gasmasken, Körperpolsterungen und Ähnliches zu schützen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass ein Interesse der Polizei besteht, Vollstreckungsmaßnahmen ungehindert durchzuführen. Das Schutzwaffenverbot verhindert, dass die Polizei zu immer stärkeren Maßnahmen greifen muss, um gegen Demonstrierende in Schutzausrüstung vorgehen zu können. Adressat*innen der polizeilichen Maßnahmen sollen sich daher gegen diese nicht zur Wehr setzen dürfen.
Problematisch ist allerdings, dass nicht zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Maßnahmen der Polizei unterschieden wird: Ein Schutzwaffeneinsatz ist gegen jegliche Maßnahmen verboten. An der Durchführung rechtswidriger Maßnahmen allerdings darf die Polizei schon nach dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 III GG kein Interesse haben. Jedenfalls der Einsatz von Schutzwaffen gegen diese dürfte nicht verboten sein.
Die Strafbarkeit der Schutzbewaffnung
Doch auch wenn der Einsatz des unmittelbaren Zwangs rechtmäßig ist, stellt sich die Frage, ob es verboten sein muss, sich gegen diesen zu schützen. Insbesondere gilt dies, da das Mitführen von Schutzwaffen nicht nur ordnungsrechtlich verboten, sondern auch nach § 27 II Nr. 1 VersG strafbar ist. So finden sich an anderer Stelle gesetzlich normierte Wertungen, nach denen eine Verteidigung gegen staatliche Maßnahmen, auch wenn rechtmäßig, nicht bestraft wird. Hier ist beispielsweise die straflose Selbstbefreiung zu nennen, wonach Strafgefangene für einen Gefängnisausbruch nicht bestraft werden, solange sie dabei keine anderen Straftaten begehen.[11] Denn auch, wenn die Auferlegung der Freiheitsstrafe rechtmäßig ist, wird dem Menschen ein Streben nach Freiheit zugebilligt. Zu beachten ist auch der Straftatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB, welcher bis zu seiner Änderung am 30.05.2017 bezüglich des Strafmaßes eine Privilegierung zur Nötigung gemäß § 240 StGB darstellte. Dem lag die Wertung zugrunde, dass „dem Bürger, gegen den eine Amts- oder Diensthandlung durchgeführt wird, ein gewisser Erregungszustand zugute zu halten ist.“[12] So könnte es auch geboten sein, Schutzhandlungen gegen beispielsweise Pfeffersprayeinsätze der Polizei als Ausdruck eines menschlichen Schutzbedürfnisses zu dulden.
Diese Strafbarkeit von Schutzbewaffnung ist allerdings auch aus weiteren Gründen verfassungsrechtlich bedenklich. So stellt sie zum Beispiel eine problematische Vorfeldkriminalisierung dar. Hierunter versteht man die Kriminalisierung von Verhalten, bevor es zu einer Verletzung von Rechtsgütern gekommen ist. Im Gegensatz zu sonstigem strafbarem Verhalten werden durch die Schutzbewaffnung selbst noch keine Rechtsgüter verletzt. Der Gesetzgeber nimmt allerdings an, dass Schutzwaffen ein Indiz für die Gewaltbereitschaft des*r Mitführenden darstellen und befindet es daher als notwendig, Schutzbewaffnung unter Strafe zu stellen. Das wiederum schafft eine problematische Verdachtsstrafe, bei welcher der*die Betroffene nur aufgrund einer Vermutung bestraft werden soll.
Schutzwaffen als psychische Beihilfe zu Gewalt?
Ein weiterer angeführter Strafgrund ist, dass andere Personen möglicherweise eher zu Gewalt tendieren, wenn eine Person in ihrer Umgebung Schutzbewaffnung trägt.[13] Würde hier Schutzbewaffnung als eine Art psychische Beihilfe angenommen, bedürfte es allerdings einer Haupttat und des Vorsatzes, diese zu begünstigen. Für eine Strafbarkeit nach § 27 II Nr. 2 VersG ist dies allerdings nicht notwendig. Strafbar ist im Bereich der Schutzbewaffnung demnach eine vorsatzlose psychische Beihilfe ohne relevante Haupttat.[14] Nach dem Subsidiaritäts- und dem ultima-ratio Prinzip ist das Strafrecht, das den schwersten Eingriff in die Freiheiten der Bürger*innen darstellt, das letztmögliche Mittel, auf welches der Gesetzgeber zurückgreifen darf, um auf unerwünschtes Verhalten zu reagieren. Zunächst sind alle anderen zur Verfügung stehenden Mittel des Staates auszuschöpfen, wobei zu beachten ist, dass Rechtsgüter auch vor dem Strafrecht und nicht nur durch das Strafrecht geschützt werden müssen. Eine Schutzbewaffnung, die sich, wie oben beschrieben, weit und höchst abstrakt vor einer nur möglicherweise eintretenden Rechtsgutsverletzung bewegt, kann in Anbetracht dieser Prinzipien kein strafwürdiges Verhalten darstellen. Ein weiteres praktisches Problem ergibt sich aus dem Legalitätsprinzip. So gilt bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten das Opportunitätsprinzip nach § 47 I 1 Ordnungswidrigkeitengesetz, wonach die Verfolgungsbehörde entscheiden kann, ob sie die Ordnungswidrigkeit verfolgt oder nicht. Bei Straftaten hingegen greift das Legalitätsprinzip, das Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, jede Straftat, von der sie erfahren, zu verfolgen. Dies würde bedeuten, dass die Polizei, angesichts schutzbewaffneter Personen, sofort in die Demonstration eingreifen und die Strafverfolgung aufnehmen müsste. In Demonstrationslagen kann dies allerdings wiederum zu einer weiteren Eskalation führen und so zu einer Steigerung des Gewaltaufkommens beitragen.[15]
Abschreckung durch Strafe
Einen weiteren relevanten strafrechtlichen Grundsatz stellt das Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 II GG dar. Hiernach muss ein Straftatbestand so gestaltet sein, dass jedem*r klar ist, welches Verhalten strafbar ist, sodass sich danach gerichtet werden kann. Die Formulierung des § 17a VersG, wonach das Mitführen von „Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und den Umständen nach dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen abzuwehren“ strafbar ist, genügt diesen Kriterien nicht. Welche Gegenstände „als Schutzwaffen geeignet sind“, ist für die Zivilperson nicht klar ersichtlich. So könnte davon ausgegangen werden, dass das Tragen von Regenjacken strafbar ist, da diese sich dazu eignen, einen Schutz gegen Wasserwerfer zu bieten.[16] Die Einordnung von Regenjacken als Schutzwaffen wurde in der Gesetzesbegründung allerdings ausdrücklich ausgeschlossen.[17] Eine Plastikfolie dagegen kann nach Ansicht des LG Frankfurt eine solche Schutzwaffe darstellen. Auch zählt ein Motorradhelm zwar grundsätzlich zu Schutzwaffen im untechnischen Sinne, wenn dieser aber lediglich aufgrund einer Anreise per Motorrad mitgeführt wird, scheidet eine Strafbarkeit aus. Hierbei trägt allerdings der*die Demonstrant*in das faktische Beweisrisiko. Diese Unsicherheiten können abschreckend auf mögliche Demonstrationsteilnehmer*innen wirken und dazu führen, dass diese an einer Demonstration nicht teilnehmen. Dies stellt eine faktische Einschränkung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 I GG dar. Abschließend muss auf die Gesetzesbegründung eingegangen werden, die als Ziel der Regelung die Reduzierung von Gewalt auf Demonstrationen durch Abschreckung nennt. Die Strafbarkeit von Schutzbewaffnung wurde vier Jahre nach dem Verbot der Schutzbewaffnung mit der Begründung eingeführt, dass durch das Verbot, beziehungsweise durch die Verhängung von Bußgeldern, die Gewalt auf Demonstrationen bisher noch nicht ab-, sondern eher zugenommen habe.[18] Nun sollten potenzielle Gewalttäter*innen durch eine Strafbarkeit der Schutzbewaffnung abgeschreckt werden. Stärkere Strafen führen nach empirischen Befunden allerdings nicht automatisch zu einem Rückgang der Tat.[19] Zu bezweifeln ist daher, ob die Festlegung einer Strafbarkeit von Schutzwaffen eine sinnvolle Reaktion auf die fehlende Reduzierung der Gewalt auf Demonstrationen war oder lediglich Handlungsstärke der zuständigen Politiker*innen demonstrieren sollte.
Der Trend zur „starken Polizei“
Welche Funktion und Eingriffsbefugnisse die Polizei im Staat hat, ist das Ergebnis eines politischen Prozesses. Unter anderem an der Verschärfung einiger Polizeigesetze der Länder ist ein bundesweiter Trend zu einer „starken Polizei“ mit weitreichenden Eingriffsbefugnissen festzustellen. Dies stellt die Folge einer konservativ dominierten Regierung dar. So hält das Wahlprogramm der CDU für 2013-2017 „Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“ fest: „CDU und CSU haben Vertrauen in Polizei und Justiz. Polizisten verdienen unsere Anerkennung und Unterstützung bei den schwierigen Aufgaben, denen sie im täglichen Dienst gerecht werden müssen. CDU und CSU setzen sich für eine gut ausgestattete Polizei ein […]“ ese Entwicklung ist auch im Versammlungsrecht zu spüren. So wurde beispielsweise die obengenannte Strafmaßerhöhung für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB im Mai 2017, nur wenige Monate vor dem Treffen der G20 in Hamburg durchgeführt. Auf Demonstrationen tritt die Polizei mit Wasserwerfern und Räumpanzern auf. Auch das SEK (Spezialeinsatzkommando), das für Terrorismusbekämpfung und Geiselnahmen ausgebildet ist, wird auf Demonstrationen eingesetzt. Hierdurch entsteht eine Abschreckungswirkung gegenüber Demonstrationsteilnehmer*innen und in deren Folge eine faktische Einschränkung des Versammlungsrechts. Diese Tendenz ist mit der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit und ihrer Relevanz für eine demokratische Gesellschaft nur schwer vereinbar. Gewalt auf Demonstrationen ergibt sich unter anderem aus einer Eskalation zwischen Demonstrationsteilnehmer*innen auf der einen und Polizist*innen auf der anderen Seite. Starkes Eingreifen der Polizei führt nicht selten zu einer weiteren Eskalation der Lage.[20] Stattdessen sollte wissenschaftlich fundiert, deeskalierend und versammlungsfreiheitsschonend gehandelt werden, um eine freiheitliche Gesellschaft zu gewährleisten.
Mehr Wissenschaft, weniger Populismus
Das Verbot und die Strafbarkeit von Schutzbewaffnung ist ein Aspekt des demokratisch relevanten und politisch umstrittenen Themas der Reichweite und Grenzen der Versammlungsfreiheit. Es ist nicht belegt, dass das Verbot von Schutzbewaffnung dazu geeignet wäre, Gewalt auf Demonstrationen zu reduzieren. Insbesondere, dass das Einsetzen von Schutzgegenständen sogar gegenüber rechtswidrigen Polizeimaßnahmen verboten ist, ist fragwürdig. Doch auch der Einsatz von Schutzwaffen zum Schutz gegen rechtmäßige Eingriffe in die eigene körperliche Unversehrtheit müsste in einer freiheitlichen Gesellschaft als menschliches Schutzbedürfnis geduldet werden. Diesen Problemen könnte mit einer Abschaffung des § 17a I VersG abgeholfen werden. Auch die Strafbarkeit von Schutzbewaffnung ist verfassungsrechtlich eindeutig problematisch. Hier sind neben dem praktischen Problem, das sich aus dem Legalitätsprinzip ergibt, insbesondere der Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot, der Subsidiaritätsgrundsatz und die Problematik einer Verdachtsstrafe zu nennen. Um schließlich das Ziel der Abschreckung, also Generalprävention zu erreichen, eignet sich eine Straferhöhung ebenfalls nur bedingt. Demnach dürfte ein Verstoß gegen § 17a I VersG höchstens als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden. Welche Verbote und Einschränkungen überhaupt nötig sind, um Gewalt auf Demonstrationen zu reduzieren, steht zwar zunächst in der Entscheidungskompetenz des Gesetzgebers. Allerdings würden diese Entscheidungen davon profitieren, auf einer wissenschaftlichen Grundlage zu fußen, und nicht auf Bauchgefühl und Populismus, wie es bei der Gesetzesbegründung des Schutzwaffenverbots mitunter der Fall zu sein scheint. Schon in den 1980er Jahren bestand die Tendenz zu Einschränkungen der Versammlungsfreiheit mit dem Ziel, mehr Sicherheit zu gewährleisten. Dieser Trend lässt sich beispielsweise durch die neuen Polizeigesetze auch heute beobachten und gibt Anlass zur Sorge. Die Versammlungsfreiheit als außerparlamentarische Möglichkeit der Meinungsbetätigung und -bildung ist ein unentbehrliches Element einer demokratischen Gesellschaft. Unter diesem Aspekt sind die aktuellen Entwicklungen kritisch zu verfolgen.
Weiterführende Literatur:
Daniela Hunold / Maren Wegner, Protest Policing im Wandel? Konservative Strömungen in der Politik der Inneren Sicherheit am Beispiel des G20-Gipfels in Hamburg, in: Kriminalpolitische Zeitschrift 2018, S. 291-299.
Anne Nassauer, Effective crowd policing: empirical insights on avoiding protest violence, in: Policing: An International Journal – Industry and Public Sector Management 2015, S. 3-23.
[1] Christian Rath, Plastikfolie als Schutzwaffe?, taz 2019, https://bit.ly/335PIVa (Stand 18.02.2020).
[2] BVerfGE 69, 315 (315).
[3] Knut Amelung, Stellungnahme zum Artikelgesetz, Strafverteidiger (StV) 1989, 72-84 (72).
[4] Bundestagsdrucksache (BT Drs.) 10/3573, 1.
[5] BT Drs. 10/3580, 4.
[6] Hans-Joachim Rudolphi, Stellungnahme zum Artikelgesetz, StV 1989, 72-84 (76).
[7] Michael Kniesel, in: Alfred Dietel / Kurt Gintzel / Michael Kniesel, Kommentar zum Versammlungsgesetz, § 17a, Rn. 14.
[8] Iain R. Brennan / Simon C. Moore, Aggression and Violent Behavior, 2009, 215 (218).
[9] BT Drs. 10/3580, 4.
[10] Robert Pelzer, Politisch motivierte Gewalt auf Demonstrationen, Bundeszentrale für politische Bildung, 2012, https://bit.ly/2vdqR5s (Stand: 18.02.2020).
[11] Nikolaus Bosch, in: Münchner Kommentar StGB, § 121, Rn. 2.
[12] BT Drs. VI/502, 3-4.
[13] BT Drs. 11/2834, 12.
[14] Amelung (Fn. 3), 73.
[15] Hunold / Wegner 2018, 293.
[16] Amelung (Fn. 3), 74.
[17] BT Drs. 10/3580, 4.
[18] BT Drs. 11/2834, 12.
[19] Dorothy Miller / Ann Rosenthal / Don Miller / Sheryl, Ruzek, Public Knowledge of Criminal Penalties: A Research Report in: Stanley E Grupp, Theories of Punishment, 206; Eric Hilgendorf, Einleitung zu Eberhard Schmidhäuser, Vom Sinn der Strafe, XVI.
[20] Nassauer 2015, 7; Hunold / Wegner 2018, 299.