Ende März kündigten Kaufhof, Adidas, Deichmann und andere Unternehmen an, keine Miete mehr für ihre Ladenlokale während des Shutdowns bezahlen zu wollen. Ein veritabler Shitstorm war die Folge. Leider verkannte die mediale Empörungsgemeinde völlig, dass nicht das Verhalten der Unternehmen unsolidarisch ist, sondern das derzeit geltende Recht, das die Kosten des Lockdowns allein den Mietern*innen aufbürdet.
In der Folge des Shitstorms haben die meisten der Konzerne sich dem öffentlichen Druck gebeugt und von ihrem Vorhaben abgelassen. Zuvor allerdings wurden sie von Bundesjustizministerin Lamprecht höchstpersönlich im Bundestag getadelt und der SPD-Abgeordnete Post teilte sogar ein Video, in dem er aus Protest ein Adidastrikot verbrannte. Vor allem auf Twitter entwickelte sich ein Shitstorm inklusive Boykottaufrufen. Kern der Kritik war, dass die Unternehmen eine Gesetzesänderung ausnützen würden, die vor allem für Kleinunternehmer*innen und Private geschaffen wurde, die durch den Lockdown in Liquiditätsschwierigkeiten geraten waren. Da die genannten Unternehmen aber keineswegs in Zahlungsschwierigkeiten seien, sei ihr Verhalten nach Ansicht der Kritiker*innen zutiefst unsolidarisch.
Mit der angesprochenen Gesetzesänderung ist der aufgrund der Covid-19-Pandemie erlassene Art. 240 § 2 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) gemeint, der am 01.04.2020 in Kraft trat. Demnach dürfen Vermieter*innen ihren Mieter*innen nicht mehr kündigen, wenn diese ihre Miete in der Zeit bis zum 30.06.2020 nicht bezahlen, sofern dieser Umstand auf den Auswirkungen der Pandemie beruht. Allerdings bleibt die eigentliche Pflicht zur Mietzahlung weiterhin bestehen, das heißt die einzelnen Mietzahlungen müssen in voller Höhe bis Mitte 2022 nachgeholt werden, um sich nicht der Gefahr einer Kündigung auszusetzen.
Dass Mietstreitigkeiten solche heftigen Reaktionen hervorrufen, ist außergewöhnlich. Insbesondere das Verhalten von SPD-Politiker*innen mutet paradox an, handelt es sich bei den Vermieter*innen von Kaufhof, Adidas und Co. überwiegend um finanzstarke Banken, Versicherungen und Fonds. Dass in dieser Debatte eine Partei, die sich traditionell als Partei der Mieter*innen versteht, nun Schulter an Schulter mit renditeorientierten Vermieter*innen kämpft, könnte verwundern, würde es sich nicht um die SPD handeln.
Doch Kaufhof, Adidas und Co. sind hier nicht „die Bösen“. Ihr Verhalten ist (wohl) weder rechtswidrig noch ist es besonders unsolidarisch. Vielmehr zeigt die mediale Empörungswelle wie sehr eine vermieterfreundliche Sicht die öffentliche Debatte bestimmt. Gänzlich unsolidarisch ist alleine die derzeitige Gesetzeslage, die die Kosten der Bewältigung der aktuellen Krise alleine den Mieter*innen aufbürdet. Diese Gesetzeslage gilt es zu kritisieren, denn eine fairere Verteilung der Lasten wäre möglich.
Für eine rechtliche Bewertung muss differenziert werden: Zum einen zwischen solchen Mieter*innen[1], die ihre Mietsache nicht mehr in der im Vertrag vorausgesetzten Art und Weise benutzen können und solchen Mieter*innen, die das noch können. Zu der ersten Gruppe gehören Kaufhof, Deichmann und Co., da sie ihre Verkaufslokale nicht mehr zum Verkauf von Waren verwenden können, aber auch alle Restaurantpächter*innen, kleine Ladeninhaber*innen, Bar-/Clubbetreiber*innen etc. fallen unter diese Kategorie. Zur zweiten Gruppe gehören alle Wohnraummieter*innen, und auch Unternehmer*innen, die Büroräume oder ähnliches angemietet haben. Sie können weiterhin in ihren Räumen wohnen bzw. in den Büros arbeiten, auch wenn aufgrund des Umsatzeinbruchs eventuell nicht mehr genügend Arbeit vorhanden ist, um diese auszulasten.
Der Lockdown als Mangel der Mietsache
Bezüglich der ersten Gruppe ist keineswegs eindeutig, dass die Mietzinszahlungspflicht weiterhin bestehen bleibt. Nach § 536 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird die Mietzahlungspflicht bei Vorliegen eines Mangels kraft Gesetzes gemindert. Dabei geht die Rechtsprechung von einem sehr weiten Mangelbegriff aus, der auch Beziehungen der Mietsache zur Umwelt einschließt, soweit diese in der konkreten Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Mietsache wurzeln und nicht in persönlichen oder betrieblichen Verhältnissen der*des Mieters*in. Das heißt, selbst wenn die Mietsache an sich von ihrer Beschaffenheit her völlig in Ordnung ist, kann ein Mangel vorliegen, wenn die vom Vertrag vorausgesetzte Gebrauchbarkeit unmöglich ist, vgl. § 535 Abs. S. 2 BGB. Ob die behördliche Schließung im Rahmen des Lockdowns einen solchen Mangel darstellt, darf als umstritten gelten.[2] Dafür spricht, dass die behördlichen Schließungen auf den Betrieb des Geschäfts, also den Gebrauch der Mietsache selbst abzielen, unabhängig von der Person der Mieter*innen. Dagegen spricht allerdings, dass durch das flächendeckende Verbot ein Bezug zur Lage der Mietsache eben nicht vorliegt, da die Verbote für alle Geschäfte gleicher Art unabhängig vom Standort gelten bzw. galten. Man darf an dieser Stelle gespannt sein, wie die Gerichte diese Frage entscheiden werden.
Damit stützen Kaufhof, Adidas und Co. die Einstellung ihrer Mietzahlungen keineswegs auf die oben erwähnte Änderung des Art. 240 § 2 EGBGB, um einem weitverbreiteten Missverständnis entgegenzutreten, sondern vielmehr auf „normales“ Mietrecht. Der geänderte Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB gäbe ein solches Recht überhaupt nicht her, denn dieser schränkt lediglich das Kündigungsrecht der Vermieter*innen ein. Die eigentliche Pflicht zur Mietzahlung lässt die Gesetzesänderung dagegen unberührt, vielmehr wird die ausbleibende Miete mit 4% gem. § 288 Abs. 1 BGB (bzw. bei Unternehmer*innen sogar mit 8%, § 288 Abs. 2 BGB) verzinst.
Und selbst wenn kein Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 BGB vorliegen sollte, kommt noch eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB in Betracht. Das hier betroffene Verwendungsrisiko fällt zwar im Grundsatz in den Verantwortungsbereich der Gläubiger*innen, also in diesem Fall der Mieter*innen, hiervon gibt es aber Ausnahmen. Eine solche ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich der Verwendungszweck gerade in der Gegenleistung, also der Miete, widerspiegelt und damit zur Grundlage des Rechtsgeschäfts wird. Für Verkaufslokale in der Innenstadt lässt sich das durchaus andenken. So beträgt die Miete für Ladengeschäfte pro Quadratmeter (!) in der Fußgängerzone Münchens beispielsweise bis zu 370 Euro im Monat. Diese selbst für München hohen Preise lassen sich, wenn überhaupt, nur durch die verkaufsgeeignete und umsatzstarke Lage rechtfertigen. Damit dürfte die Möglichkeit zum Verkauf von Waren Geschäftsgrundlage solcher Verträge sein, womit gem. § 313 BGB ein Anspruch auf Vertragsanpassung besteht.
Das heißt, Kaufhof und Co. könnten auch vor diesem Hintergrund rechtmäßig gehandelt haben. Wie sich dieses Ergebnis zu dem geänderten Art. 240 § 2 EGBGB verhält, ist dagegen völlig offen. Laut Gesetzesbegründung ging der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Art. 240 § 2 EGBGB davon aus, dass die Mietzahlungspflicht weiter bestehen bleibt. Es liegt nahe anzunehmen, dass er dabei die hier beschriebene erste Gruppe von Mietern*innen schlichtweg übersehen hat. Was Art. 240 § 2 EGBGB nun für diese erste Gruppe bedeutet, ist bisher ungeklärt. Denkbar wäre es, Art. 240 § 2 EGBGB als abschließenden gesetzlichen Schutz für alle Mieter*innen in Zeiten der Corona-Pandemie zu verstehen, der damit § 536 BGB und § 313 BGB verdrängen würde.[3]Paradoxerweise hätte damit eine vorgeblich mieter*innenschützende Gesetzesänderung eine massive Schmälerung der Rechte der ersten Gruppe von Mieter*innen zur Folge.
Wer trägt das Beschaffungsrisiko der Miete?
Für die zweite Gruppe von Mieter*innen ist die Rechtslage klarer. Ein Mangel der Mietsache gem. § 536 BGB liegt hier nicht vor, da die Räume weiterhin zu ihrem vertragsgemäßen Zweck, nämlich Wohnen, Arbeiten etc., verwendet werden können. Es gilt lediglich der erweiterte Kündigungsschutz des Art. 240 § 2 EGBGB.
Denkbar wäre in solchen Fällen nur noch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Die dahinterstehende Sachfrage ist die, wer das Risiko des Eintretens eines bestimmten Umstands tragen soll: Beide Vertragsparteien oder nur eine?
Das hier betroffene Risiko ist allerdings nicht das Verwendungsrisiko wie bei der ersten Gruppe, sondern das Beschaffungsrisiko für die Miete. Im Ansatz ist klar, dass dieses bei den Mieter*innen liegt. Sollten deren Einnahmen wegen einer schwächelnden Konjunktur zurückgehen oder schlicht und ergreifend deswegen, weil sie kein tragfähiges Geschäftsmodell haben, geht das zu ihren Lasten, nach dem ungeschriebenen Rechtssatz „Geld hat man zu haben“. Dies gilt sowohl für den großen Konzern, die kleine Ladeninhaberin von nebenan, wie private Wohnraummieter*innen. Angesichts einer hoheitlichen Untersagung bestimmter Tätigkeiten, die das Ausüben bestimmter Berufe unmöglich machen bzw. zu einem dramatischen Umsatzeinbruch führen, wie dies z.B. bei Künstler*innen derzeit der Fall ist, könnte man an diesem Grundsatz schon Zweifel bekommen, da klar ist, dass die Miete erst zu erwirtschaften ist. Wenn nun unverschuldet schon die Möglichkeit wegfällt, einen entsprechenden Umsatz zu erzielen, so ließe sich argumentieren, entfällt in wirtschaftlicher Hinsicht auch die Grundlage für die Mietzahlungen. Es fällt jedoch schwer die Grenzen einer solchen Argumentation zu ziehen, denn mit ihr wird die gesetzliche Risikoverteilung weitgehend konterkariert. Ähnliches ließe sich in der Folge auch außerhalb von Pandemiezeiten für Selbstständige anführen, die sich unverschuldet und unvorhersehbar verletzt haben und daher nicht in der Lage sind, Geld zu verdienen. In der Folge würden Vermieter*innen bei Selbstständigen ein höheres Risiko tragen als bei abhängig beschäftigten Mieter*innen. Daher besteht weitgehend Einigkeit, dass die wirtschaftliche Notlage einer Partei deren alleinige Angelegenheit bleibt und von diesem Grundsatz auch in Extremfällen nicht abgewichen wird.
Speziell für Ereignisse wie Kriege und Naturkatastrophen wird teilweise noch von einer sogenannten „großen Geschäftsgrundlage“ gesprochen oder von der Erschütterung der „Sozialexistenz“. Welche Ereignisse im Einzelnen darunter zu fassen sind, lässt sich kaum abstrakt definieren. Ob auch ein allgemeiner Lockdown eine solche „große Geschäftsgrundlage“ darstellt, ist denkbar, aber in der Tendenz abzulehnen. Angesichts des Umstands, dass einerseits das wirtschaftliche Leben nicht vollständig erfasst ist und zumindest in Teilen weitergeht und es andererseits groß angelegte staatliche Hilfsprogramme gibt, dürfte eine solche „große Geschäftsgrundlage“ derzeit nicht vorliegen.
Was ist nun das Ergebnis dieser rechtlichen Betrachtung? Für die erste Gruppe von Mieter*innen lässt sich nur sagen, dass diese vielleicht weiterhin Miete zahlen müssen, die zweite Gruppe hingegen muss dies sicher. Da zahlenmäßig die zweite Gruppe deutlich überwiegen dürfte, kann man sagen, dass die meisten Mieter*innen während des Corona-Lockdowns ihre Miete zahlen müssen.
Risikoverteilung wie im Arbeitsrecht
Dass Mieter*innen grundsätzlich das volle Risiko eines Lockdowns tragen sollen, ist allerdings weder zwingend noch einleuchtend und schon gar nicht besonders gerecht. Wenn nun allenthalben im Zuge der Coronakrise zu Recht betont wird, dass die Bewältigung dieser eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstelle, so ist nicht einzusehen, dass Vermieter*innen hiervon ausgenommen sein sollen. Nach der bisherigen Gesetzeslage treffen diese in rechtlicher Hinsicht unmittelbar keine oder nur geringe Auswirkungen. Im Gegenteil, sollte sich die oben erwähnte Interpretation durchsetzen, dass Art. 240 § 2 EGBGB den abschließenden Mieter*innenschutz in Zeiten der Corona-Pandemie regelt, so würden die Rechte von Vermieter*innen der ersten Gruppe sogar erheblich gestärkt.
Die gesetzlichen Reglungen zur Risikoverteilung sind aber keineswegs in Stein gemeißelt. Dass es auch anders ginge, zeigt ein Vergleich mit einem anderen Dauerschuldverhältnis, das, ähnlich wie das Mietrecht, den Alltag einer Großzahl der Bürger*innen bestimmt: Dem Arbeitsverhältnis. Der Umstand, dass Arbeitgeber*innen für ihre Arbeitnehmer*innen keine Arbeit mehr haben, da aufgrund der Beschränkungen kein Umsatz mehr gemacht wird, ist Teil des unternehmerischen Risikos der Arbeitgeber*innen, weswegen die Arbeitnehmer*innen ihren Entgeltanspruch gemäß § 615 S. 3 BGB behalten.
Bezüglich der Risikoverteilung gilt damit im Grundsatz dasselbe, wie beim Mietverhältnis, nur unter umgekehrten Vorzeichen: Das Risiko liegt jeweils bei den Entgeltverpflichteten, das heißt, beim Mietverhältnis bei den Mieter*innen und beim Arbeitsverhältnis bei den Arbeitgeber*innen. Umgekehrte Vorzeichen deshalb, da sich Mieter*innen und Arbeitnehmer*innen typischerweise in einem Abhängigkeitsverhältnis und einer unterlegenen Vertragsstellung befinden, weswegen sie durch zahlreiche gesetzliche Vorschriften geschützt werden. Um es etwas zuzuspitzen: Bei der Miete liegt das Risiko beim „kleinen Mann“ bzw. bei der „kleinen Frau“, beim Arbeitsverhältnis nicht. Die für Mieter*innen und Arbeitgeber*innen daneben bestehende Möglichkeit das jeweilige Schuldverhältnis durch (betriebsbedingte) Kündigung zu beenden, soll an dieser Stelle außer Betracht bleiben, da es sich hierbei nicht mehr um eine innervertragliche Regelung der Risikoverteilung handelt.
Jedoch wird dieser Vergleich dadurch gestört, dass durch die weitverbreitete Anordnung von Kurzarbeit ein Teil des Risikos auf die Arbeitnehmer*innen abgewälzt wird. Bei einer vollständigen Reduktion der Arbeitszeit auf Null, was bis vor kurzem häufig der Fall gewesen sein durfte, erhalten die arbeitswilligen und -fähigen Arbeitnehmer*innen nur noch bis zu 60% bzw. 67% ihres Entgelts mittelbar vom Staat ausbezahlt.[4] Gerechtfertigt wird dies damit, dass auch die Arbeitnehmer*innen ein Interesse daran hätten, dass das Unternehmen in der Krise durch die Allgemeinheit gestützt wird. Dabei dürfte es sich in vielen Fällen um eine Unterstellung handeln, denn Angestellte, die in Kurzarbeit geschickt werden und nur noch 60% ihres Lohns erhalten, können ihrerseits in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Im Mietrecht gibt es ein vergleichbares Instrument nicht, auch die oben erwähnte Gesetzesänderung beinhaltet nur eine Stundung, nicht aber eine Minderung der Miete. Dabei gäbe es im Mietrecht eine durchaus vergleichbare Interessenlage. Auch hier haben Mieter*innen und die Allgemeinheit ein Interesse daran, dass Mietverhältnisse nicht aufgehoben werden und Mieter*innen nicht in großer Zahl obdachlos werden bzw. sich massiv verschulden. Das Interesse der Vermieter*innen an einer solchen Regelung ist – wie bei den Arbeitnehmer*innen – naturgemäß weniger stark ausgeprägt, jedoch würden auch sie von einer Stabilisierung der Wohnverhältnisse und damit auch des Mietmarktes profitieren. Zumal die Interessen von Arbeitnehmer*innen auf der einen Seite und Vermieter*innen auf der anderen Seite nicht im gleichen Maße schutzwürdig sind: Während Arbeitnehmer*innen von ihrem Arbeitseinkommen wirtschaftlich abhängig sind, da dieses in der Regel deren einzige Einkommensquelle darstellt, gilt dies nicht im selben Maße für Vermieter*innen, die meist mehrere Mietobjekte vermieten und so einzelne Ausfälle leichter kompensieren könnten.
Gejammer auf hohem Niveau
Erwartungsgemäß sehen dies die politischen Interessenvertreter*innen der Vermieter*innen anders und betonen, dass schon mit der derzeitigen Gesetzeslage die Vermieter*innen erhebliche Lasten in Zeiten der Pandemie zu tragen hätten. So weisen sie darauf hin, dass durch den Konjunkturabschwung und die zu erwartenden zahlreichen Insolvenzfälle die Preise insbesondere für Geschäftsimmobilien fallen werden.[5] Zudem ist anzunehmen, dass Vermieter*innen Ausfälle haben werden, da Mieter*innen zahlungsunfähig werden bzw. weil die gestundeten Mieten nicht vollständig eingetrieben werden können. Dies mag stimmen, erscheint im Vergleich dazu, dass viele Unternehmer*innen gerade vor den Trümmern ihrer geschäftlichen Existenz stehen, als ein geringer Preis und stellt damit nicht mehr als das branchenübliche Gejammer auf hohem Niveau dar. Dabei darf nicht vergessen werden, dass gerade in den Großstädten sowohl für Private als auch Geschäftsleute die Mietausgaben oft den größten Ausgabenposten darstellen und die Mieten damit einen Hauptgrund für eine Insolvenz bilden.
In der politischen Debatte wird an dieser Stelle gerne auf die etwa 4 Millionen privaten Vermieter*innen verwiesen, die es um jeden Preis zu schützen gelte. Dabei stellt die Bezeichnung „private Vermieter*innen“ ein schönes Beispiel für politisches Framing dar, denn je nach Größenordnung sollte besser von Privatiers gesprochen werden. Und zudem sollte nicht übersehen werden, dass sich diese in der Krisensituation noch in einer relativ komfortablen Lage befinden.
Ein weiterer Einwand ist der Umstand, dass viele Mietobjekte ihrerseits durch Kredite finanziert sind und die Mieten in diesen Fällen größtenteils der Tilgung der Kredite dienen. Für dieses Problem gäbe es, grob gesagt, zwei Lösungsmöglichkeiten: Entweder könnten auch die Rückzahlungspflichten gegenüber den Banken reduziert werden; dies liefe auf den Gedanken von Daniel Stelter hinaus, die Wirtschaft während des Lockdowns in ein „gedankliches Koma“ zu versetzen.[6] Die andere Möglichkeit wäre, die kreditnehmenden Vermieter*innen – wie alle anderen Unternehmer*innen auch – auf die Notfallmaßnahmen der Bundesregierung bzw. der Länder zu verweisen.
Keine gerechte Kostenverteilung
Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass Vermieter*innen gar nicht bis kaum an den Kosten der Krisenbewältigung beteiligt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass diese die Kosten verhältnismäßig leicht schultern könnten, denn in Rede stehen hier keine Enteignungen, sondern lediglich Schmälerungen der Rendite ihres Eigentums.
Was bedeutet dies nun für die Bewertung des Verhaltens von Kaufhof, Deichmann, Adidas und Co.? Natürlich wäre es in der Tat kritikwürdig, sollten finanzstarke Mieter*innen ihrerseits durchsetzen, dass sie vorübergehend von der Mietzahlung frei werden, dies für kleine Ladeninhaber*innen aber nicht gelten sollte. Weitgehend übersehen wurde in der öffentlichen Diskussion allerdings, dass sich eine solche Ungleichbehandlung in zwei Richtungen auflösen lässt. Anstatt diesen Konzernen ein unsolidarisches Verhalten zu attestieren, hätte man darüber nachdenken können, ob nicht allgemein die Mieten für diejenigen abzusenken sind, die sich aufgrund des Lockdowns diese nicht mehr leisten können. Dabei müsste man nicht so weit gehen, gleich die gesamte Mietzahlung einzustellen wie im Falle von Kaufhof und Co., aber man hätte, ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld, eine Reduzierung je nach Betroffenheit um bis zu 40% andenken können. So würden auch Vermieter*innen unmittelbar zur Krisenbewältigung beitragen. Einige positive Beispiele aus der Presse von Vermieter*innen, die ihren Mieter*innen zeitweilig die Miete erlassen haben, zeigen, dass unter Vermieter*innen durchaus eine Bereitschaft zu einem solchen Handeln besteht.[7]
Weiterführende Literatur:
Tim Drygala: Handelt Adidas juristisch vertretbar?, auf Legal Tribune Online, www.lto.de.
Marc-Philippe Weller/Markus Lieberknecht/Victor Habrich: Virulente Leistungsstörungen – Auswirkungen der Corona-Krise auf die Vertragsdurchführung, in: NJW 2020, 1017.
[1] Gemeint sind nur Raum- bzw. Grundstücksmieten.
[2] Für das Vorliegen eines Mangels etwa Drygala, Handelt Adidas juristisch vertretbar? (Stand: 09.06.2020) auf www.lto.de; a.A. Silvio Sittner, Mietrechtspraxis unter Covid-19, NJW 2020, 1169; Marc Alexander Häger/Marvin Rochner, Müssen Ladenbetreiber weiter Miete bezahlen? Auf www.lto.de; ebenso wohl Staudinger/Emmerich § 536 Rn. 44. Zum Ganzen: Peter Günter, Der Einfluss öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen auf mietvertragliche Vereinbarungen, NZM 2016, 569.
[3] So Drygala (Fn. 2).
[4] Christian Zieglmeier, Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld, DStR 2020, 729, 729.
[5] Henning Jauering/Anne Seith, So will der Staat Mieter und Vermieter beschützen, Spiegel Online vom 24.03.2020, (Stand: 09.06.2020).
[6] Daniel Stelter, Versetzt die Wirtschaft in ein künstliches Koma, Spiegel Online vom 22.03.2020, (Stand: 09.06.2020).
[7] Vermieter rufen zu „besonderer Solidarität gegenüber unseren Mietern“ auf, Stern vom 18.03.2020 (Stand: 03.04.2020). „So haben Sie eine Sorge weniger“; Vermieter erlässt Friseurin die Miete und zahlt ihre Nebenkosten, Stern vom 01.04.2020, (Stand: 03.04.2020).