Mutter, Vater, Kind – das ist laut Gesetz bis heute der Regelfall der Familie. Das deutsche Abstammungsrecht ist geprägt von einem Familienbild, in dem die genetische, rechtliche und soziale Elternschaft zusammenfällt. Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat, Vater ist in erster Linie der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Subsidiär kann ein Mann auch bereits vor der Geburt die Vaterschaft anerkennen.
Dass dieses Regelungsgefüge bei weitem nicht die diversen Realitäten von Familienkonstellationen abbildet, erreicht endlich auch die Gesetzgeberin. Ein Entwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für eine Reform des Abstammungsrechts ist geschrieben. Nach dem Entwurf sollen nun zumindest lesbische Paare bei der Geburt ihres Kindes einem Hetero-Paar rechtlich gleichgestellt werden. Der § 1591 BGB soll einen zweiten Absatz bekommen. Demnach ist dann Mutter eines Kindes neben der biologischen Mutter nach Absatz 1 auch die Frau, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter, die das Kind zur Welt bringt, verheiratet ist oder die die Mutterschaft anerkannt hat. Ein Kind von zwei Frauen hat dann endlich auch schon zum Zeitpunkt der Geburt zwei rechtliche Elternteile.
Bislang ist genau das nicht möglich. Seit der Einführung der Ehe für Alle im Jahr 2017 können verheiratete Frauen immerhin gemeinsam ein Kind adoptieren. Wenn sie aber einem eigenen Fortpflanzungswunsch nachgehen wollen, dann bleibt bis dato nur die Stiefkindadoption. Und dieser Weg ist alles andere als schnell und einfach. Die nicht biologische Mutter kann erst nach der Geburt die Stiefkindadoption in die Wege leiten. Für die Familie heißt das, dass während des Verfahrens nur die biologische Mutter sorgerechtsbefugt ist und das Kind vollumfänglich rechtlich vertreten darf. Das gemeinsame Kind der Frauen hat während des Verfahrens keinerlei Unterhalts- oder erbrechtliche Ansprüche gegen die nicht rechtliche Mutter. Wo hier genau der Gedanke des Kindeswohls steckt ist aus diskriminierungsfreier Perspektive nicht erkennbar.
Im Prozess der Stiefkindadoption verlangt der Staat dann eine völlige Offenlegung des Privatlebens: Finanzen, Gesundheitszustand und Erziehungsfähigkeit werden geprüft und beurteilt, obwohl die Frau schon längst die soziale Mutter des Kindes ist. Der Staat entscheidet, ob man fähig ist, das eigene Kind zu erziehen.
Um überhaupt schwanger zu werden, haben lesbische Paare in Deutschland die Möglichkeit einer anonymen oder privaten Samenspende. Rechtlich am einfachsten ist der Fall, in dem die Frau durch eine anonyme Samenspende in einer Kinderwunschklinik schwanger wird. Hier gibt es den rechtlichen und sozialen Vater eigentlich nicht. Es konkurriert niemand mit der Mutter um den Platz des zweiten Elternteils. Diese Möglichkeit muss man sich jedoch auch leisten können. Anders als bei verheirateten Hetero-Paaren wird bei einer Kinderwunschbehandlung bei zwei Frauen von der Krankenkasse kein Teil der Kosten übernommen. 10.000€ kommen hier leicht zusammen und sind damit für viele Menschen eine kaum überwindbare Hürde beim Kinderkriegen.
Entscheiden sich zwei Frauen anstatt für eine anonyme für eine private Samenspende, stehen sie wiederum vor ganz anderen Problemen. Ist von allen Beteiligten nicht gewollt, dass der biologische Vater eine Rolle im Leben des Kindes spielt, besteht trotzdem immer noch die Gefahr, dass der Mann* sich in der ersten Zeit nach der Geburt umentscheidet und nun doch mehr sein möchte als der Samenspender. Dies mag legitim sein, nimmt aber damit den sozialen Müttern die Möglichkeit, dass sie auch beide rechtliche Mutter des eigenen Kindes sein können.
Ist andersherum von Anfang an gewünscht, dass das Kind neben den Müttern auch den Vater oder die Väter als Elternteile hat, kann das deutsche Recht dies nicht abbilden. Eine Mehrelternschaft ist weiterhin nicht gewollt; der Gesetzesentwurf bleibt beim Zwei-Eltern-Prinzip. Begründet wird dies mit Unübersichtlichkeiten und Unstimmigkeiten bei der Zuständigkeit fürs Kind.
Solange mit diesem Grundsatz nicht gebrochen wird ist es zwingend notwendig, dass gleichgeschlechtlichen Paaren mit ihrer biologischen Abhängigkeit von Dritten eine zuverlässige Möglichkeit geboten wird, als Elternteile ihrer Kinder anerkannt zu werden.
Das ist eigentlich kein Problem, ist doch die Familie im deutschen Recht auch heute schon nicht durch die biologische Abstammung definiert ist. Ein Mann, der in einer Hetero-Ehe lebt, wird auch dann direkt rechtlicher Vater des Kindes, wenn dieses durch eine Samenspende oder außereheliche Zeugung entstanden ist. Die genetische Abstammung wird für die Anerkennung der Vaterschaft durch den Staat weder geprüft noch vorausgesetzt.
Nach Einführung der Ehe für Alle hätte man erwarten können, dass auch die Familie für wirklich Alle kommt. Der Gesetzesentwurf schafft es zumindest, die Lebensrealitäten von lesbischen Paaren aufzunehmen. Damit bricht er mit dem abstammungsrechtlichen Grundsatz, dass jedes Kind eine Mutter und einen Vater habe. Diese Gleichstellung von nicht-gebärenden Frauen* mit nicht-gebärenden Männern* war lange überfällig.
Nichts verbessern wird sich dagegen für die Elternschaften in schwulen, trans*- und inter* Beziehungen. Das Gesetz bleibt bei einer Zweigeschlechtlichkeit, dem Zwei-Eltern-Prinzip und bei der strikten biologischen Mutterschaft. Die staatliche Diskriminierung queerer Familien im Abstammungsrecht bleibt damit bestehen. Die Familie für Alle ist damit weiterhin keine Realität für Alle.