Per Beschluss vom 19.01.2021 hat das OLG Frankfurt (Main) die Revision der Allgemeinärztin Kristina Hänel verworfen. Damit sind alle ordentlichen Rechtsmittel in Deutschlands wohl prominentesten Fall in der Diskussion um § 219 StGB (Strafgesetzbuch) ausgeschöpft.
Ausgangspunkt des Falls und mit ihm einer neuen Dimension gesellschaftlicher Debatte war ein Urteil des Amtsgericht Gießen vom 24.11.2017 (507 DS 501 Js 15031/15). Hänel wurde damit wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft § 219a StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150 EUR verurteilt. Die Gießener Ärztin hatte auf der Homepage ihrer Praxis für Allgemeinmedizin angegeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführe. Dazu hatte sie Informationsmaterial rund um das Thema bereit gestellt. Dass Hänels Handeln so offensichtlich kein Unrecht darstellt veranlasste zuständige RichterInnen auf mehreren Instanzen dazu, in obiter dicta zu kommentieren, dass sie selbst nicht hinter dem Gesetz stünden. Dies gilt sowohl wie den alten, wie auch den reformierten § 219a StGB. Im Februar 2019 war der Paragraph um den Absatz vier ergänzt worden, wonach ÄrztInnen informieren dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Weitergehende Informationen dürfen aber auch weiterhin nicht von ÄrztInnen veröffentlicht werden, die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Dass diese Gesetzesneuerung nicht einmal ein Jahr später von der für Hänels Fall zuständigen Berufungsrichterin als „widersprüchlich“ und „nicht gelungen“ bezeichnet wird zeigt, wie lebensfremd die parlamentarische Debatte bei diesem Thema ist. Es handelt sich um einen zusammengeschusterten politischen Kompromiss, mit dem auch Konservative und „LebensschützerInnen“ nicht das Gesicht verlieren.
Auf Twitter rufen Hänel und viele andere dazu auf, Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zu teilen. Da sich das Werbeverbot nur gegen diejenigen richtet, die selbst Schwangerschaftsabbrüche vornehmen sollen die auf der Homepage von Hänel nicht mehr verfügbaren Inhalte gemirrort (mirroring = spiegeln, d.h. denselben Inhalt in derselben Form an anderer Stelle hochladen) werden. Dies mag immerhin dazu führen, dass konkret Betroffene schnelle Zugang zu Informationen erhalten. Dennoch kann so jedoch nicht dem wohl oft bestehenden Wunsch vieler Frauen entsprochen, gerade von ÄrztInnen informiert zu werden, denen ja auch ein besonderes Vertrauen entgegen gebracht wird. Neben den allgemeinen Aufrufen zum Verbreiten von Hänels Materialien gibt es auch explizit an ÄrztInnen gerichtete Aufrufe, sich mit Hänel zu solidarisieren und selbst Informationsmaterial zu Schwangerschaftsabbrüchen hochzuladen. Die Verurteilte hat diesen Schritt für sich ausgeschlossen, um sich nicht finanziell zu ruinieren.
Hänel kündigte vielmehr an, gegen den Beschluss des OLG Frankfurt Verfassungsbeschwerde einzulegen. Die breite gesellschaftliche, wie auch fachlichen Unterstützung der Forderung einer Abschaffung des aktuellen § 219a lassen hoffen, dass nun auch das Bundesverfassungsrecht klare Kante zeigt und den § 219a für verfassungswidrig erklärt.