Der Reader „Das rechte (Un)recht“ der Kritischen Jurist*innen der FU Berlin zeichnet das (Fort-) Wirken nationalsozialistischer Hochschullehrer nach und dürfte für die meisten Jurastudierenden eine der wenigen leicht zugänglichen Quellen zu diesem Thema sein. Wer nicht das Glück hat, in einem höheren Semester ein Seminar zu den Kontinuitäten nationalsozialistischer Rechtslehre belegen zu können, kann gut durchs gesamte Studium kommen, ohne einmal davon gehört zu haben, warum es problematisch ist, dass der berühmteste Zivilrechtskommentar nach Otto Palandt benannt ist; wie sich Theodor Maunz, der Begründer des Grundrechtskommentars Maunz-Düring auch nach 1945 bis zu seinem Tod für den Nationalsozialismus einsetzte oder dass der Mordparagraf nicht die einzige noch heute geltende Norm ist, die der nationalsozialistischen Rechtsetzung entstammt.
Unserem Verständnis nach ist eine historische Perspektive auf das Recht und juristische Praxis unumgänglich, um zu einer kritischen Würdigung des Status Quo zu gelangen und Möglichkeiten für einen Systemwandel aufzuzeigen.
Der neue Podcast „Mal nach den Rechten schauen. Nationalsozialistische Kontinuitäten im Recht und in der juristischen Ausbildung“ richtet sich an Jurastudierende und Jurist*innen sowie an Recht, Gesellschaft, Geschichte und Erinnerungskultur interessierte Personen. Er fragt nach Lücken in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und dem Umgang von Behörden und juristischen Fakultäten mit regimetreuen Jurist*innen, stellt dar, wie nationalsozialistische Rechtsvorstellungen implementiert wurden und diskutiert, an welchen Stellen auch heute noch nationalsozialistisches, rassistisches, antisemitisches und sozialdarwinistisches Gedankengut in unserem Rechtssystem konserviert wird. Außerdem sollen antifaschistische Jurist*innen porträtiert werden, die während oder nach der Zeit des Nationalsozialismus Widerstand leisteten.
In der ersten Folge haben wir über die Verweigerung des Beck-Verlags sich mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen gesprochen (#palandtumbenennen). In den anderen Folgen beschäftigen wir uns unter anderem mit der Geschichte hinter dem Wort „weggefallen“, das erst seit 1994 hinter § 175 StGB zu finden ist, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Warum zum Beispiel Betroffene, die gemäß §175 StGB nach 1945 verurteilt wurden, erst ab 2017 rehabilitiert wurden, besprechen wir mit unserem Interviewpartner Georg Härpfer, ehemaliger Vorsitzender der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren.
Ausgangspunkt einer weiteren Folge ist die Erkenntnis, dass Fritz Bauer für viele Studierende weiterhin unbekannt ist. Um das zu ändern sprechen wir mit dem Juristen, Autor und Journalisten Ronen Steinke. Mit ihm zeichnen wir den Werdegang Bauers nach, die Zeit im Exil, sein Wirken als Generalstaatsanwalt und seine Rolle bei der Aufklärung der NS-Verbrechen, um uns zu fragen, was wir heute von Fritz Bauer lernen können.
In unserer Folge zu den Wiesbadener Juristenprozessen geht es um einen Strafprozess der Nachkriesgzeit, der wenig Aufmerksamkeit gefunden hat: 1952 standen fünf hohe Ministerialbeamte wegen ihrer Verantwortung für die Deportation und Ermordung von Strafgefangenen in Wiesbaden vor Gericht. Mit Felix Wiedemann wollen wir dabei auch auf die Verantwortung der Jurist:innen im Justizapparat zu sprechen kommen und welche Täter:innen- und Opferrollen diese Prozesse und die BRD geprägt haben.
Weitere Folgen sind in Planung und wir freuen uns über Interessierte, die am Podcast mitwirken möchten. Das Projekt wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW gefördert.
Alle Infos zum Podcast, Möglichkeiten mitzumachen und alle Folgen gibt es unter https://www.malnachdenrechtenschauen.de/. Die Folgen findet ihr außerdem bei Spotify und bei allen gängigen Podcastanbietenden.