In dem Beitrag wird in den Strafrechts-Abolitionismus und seine Herleitung eingeführt. Dafür werden die Grundlagen einer sozialphilosophischen (Straf-)Rechtskritik und ihre Weiterentwicklung durch Angela Davis beleuchtet. Außerdem wird die Transformative Justice-Bewegung und die theoretische Diskussion um die strategische Prozessführung skizziert.
Der Begriff „Abolitionismus“ war lange Zeit nahezu in Vergessenheit geraten. Wenn er thematisiert wurde, dann wurde er überwiegend mit der Abschaffung der Sklaverei in den USA in Verbindung gebracht. Seit Anfang 2020 ist die Vieldeutigkeit des Begriffs jedoch wiederentdeckt worden.
Mit dem Mord an dem schwarzen US-Amerikaner George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis (USA) wurde der weltweiten Öffentlichkeit die rassistische und gewaltvolle Arbeitsweise der Polizei bildlich vor Augen geführt. Das löste die größte antirassistische Protestwelle aus, die es je gegeben hat.1 Auf vielen Protestschildern und Transparenten der Black Live Matter-Demonstrationen stand in Großbuchstaben der Schriftzug: „ABOLISH THE POLICE!“. Hinter dieser Forderung steht der Gedanke, dass die Polizei nicht mehr reformierbar sei. Es brauche etwas deutlich Radikaleres: Ihre Abschaffung. Die Polizei ist ein Element des Strafrechtsystems, sodass sich die Forderung schnell auch auf Gefängnisse und das gesamte Strafrecht ausweitete.
Abolitionismus wird dabei als sogenannte „Non-Reformist-Reform“2 oder als „Negative Reform“3 beschrieben. Diese Formulierungen sind das Ergebnis der Kritik an regulären Reformen. Diese seien nicht radikal genug, um eine wirklich nachhaltige positive Veränderung zu erwirken. Strukturelle Probleme wie Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Ableismus, Klassismus etc. würden durch Reformen nicht verschwinden, denn diese blieben weiterhin in der Logik des bestehenden Systems verhaftet. Diesen Kritikpunkt nimmt der Abolitionismus auf. Er strebt die Überwindung einzelner Institutionen an, um zur Transformation des Gesamtsystems beizutragen.
Das (Straf-)Recht bekämpfen?
Die Idee, das Strafrechtssystem zu überwinden, ist dabei kein grundsätzlich neuer Ansatz. Nietzsche kam bereits 1887 infolge seiner Kritik der Strafzwecke zu dem Schluss, dass die „Strafidee“ eine Beschmutzung der „Welt-Konzeption“ und ein „böses Unkraut“ sei.4 Gegenüber dem festen Glauben an die Gerechtigkeit von Bestrafung konnte sich diese Ansicht jedoch nicht durchsetzen. Zu verbreitet ist die Überzeugung: „Strafe muss sein!“
Erst 100 Jahre später, in den 1980er Jahren, bekommt der Strafrechts-Abolitionismus in Deutschland etwas mehr Beachtung. Kritische Kriminolog*innen wie Gerlinda Smaus5 oder Sebastian Scheerer6 setzten herrschaftskritische Perspektiven auf Kriminalität endlich auf die Tagesordnung. Das dauerte jedoch nicht lange an. Mit der sogenannten „Krise des Marxismus“7 verschwand auch die Kritische Kriminologie größtenteils von der Bildfläche. Erst jetzt – unter dem Eindruck der Black Lives Matter-Bewegung – findet der Strafrechts-Abolitionismus wieder verstärkt Beachtung in der öffentlichen Diskussion.
Dennoch erfährt maus im Jurastudium oder in Strafrechtslehrbüchern von solchen kritischen Perspektiven auf das (Straf-)Recht meist sehr wenig. Das Infragestellen des Rechts an sich erfolgt höchstens mit etwas Glück am Rande des ersten Semesters oder im Schwerpunkt Rechtsphilosophie. In allen anderen Bereichen der Ausbildung wird lediglich die kritische Perspektive auf Fragen innerhalb des Rechtssystems gelehrt: Wie zum Beispiel die Kritik an der strengen Schuldtheorie beim Erlaubnistatumstandsirrtum, die sich in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Rechtsauffassungen erschöpft. Wenn die Strafrechtstheorie thematisiert wird, dann nur in Form der sogenannten „Strafzwecktheorien“, die das staatliche Recht auf Strafe rechtfertigen sollen.
Diese werden meistens in absolute und relative Straftheorien aufgeteilt. Den absoluten Straftheorien zufolge ist der Zweck der Strafe die Wiederherstellung des Rechts durch Vergeltung (repressiv). Die relativen Straftheorien sehen den Zweck der Strafe hingegen allein in der Verhinderung zukünftiger Straftaten (präventiv). In der straftheoretischen Debatte wird seit der Aufklärung darüber diskutiert, welche dieser Theorien überzeugender ist bzw. ob sich die Theorien vereinen lassen. Die Frage, ob das Recht des Staates, Strafen zu verhängen, an sich schon problematisch sein könnte, wird hingegen sehr selten thematisiert.
Mit Karl Marx, Eugen Paschukanis, W.E.B. Du Bois und Angela Davis sollen hier also einige Denkanstöße dargelegt werden, wie das Strafrecht aus sozialphilosophischen Perspektiven8 kritisiert werden kann.
Paschukanis: Ökonomische Strafrechtskritik
Karl Marxhat keine komplett ausgearbeitete Rechtstheorie entwickelt. Die erste umfassende marxistische bzw. materialistische Rechtstheorie wird dem sowjetischen Rechtswissenschaftler Eugen Paschukanis zugeschrieben. Dieser beschäftigte sich in seiner Abhandlung „Allgemeine Rechtslehre und Marxismus“ von 1929 mit der Analyse der Rechtsform, die er methodisch ähnlich wie die Analyse der Warenform in Karl Marx‘ „Kapital“ ausführt. Er legt hierfür das sogenannte „Basis-Überbau-Modell“ zugrunde. Demzufolge ist das Recht ein bloßer Teil des „Ideologischen Überbaus“ und wird durch die „Ökonomische Basis“ bestimmt.
Diese Annahme hat zur Folge, dass das staatliche Recht auf Strafe nach Paschukanisin der jetzigen Gesellschaftsform die einzige Eigenschaft und Aufgabe hat, die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse zu festigen. Allerdings sei das Strafrecht auch nicht für alle Zeiten unüberwindbar. Vielmehr werde das gesamte Recht im Kommunismus überflüssig. Denn dann könne sich das „Prinzip des gesellschaftlichen Schutzes“ durchsetzen.9 Diese Behauptung wird auch als „Absterbethese“10 bezeichnet. Mit dem Recht ließe sich somit nicht für eine menschlichere Gesellschaft kämpfen. Friedrich Engels bezeichnet die Hoffnung, mit dem Recht progressive Veränderungen erzielen zu wollen, sogar abfällig als „Juristensozialismus“.11
Nach dieser Ansicht könnten Jurist*innen also nichts anderes tun, als auf die Revolution zu warten, sich dem zivilgesellschaftlichen Umsturz der Gesellschaftsordnung zu widmen oder (wie Paschukanis selbst) die Strafrechtsform zu erforschen.
Diese Perspektive ist jedoch in der heutigen sozialphilosophischen Debatte in Deutschland mehrheitlich überwunden worden. Inzwischen wird zunehmend ein poststrukturalistisch inspirierter Materialismus vertreten. Eine entsprechende Rechtstheorie wurde erstmals von Sonja Buckel in ihrer Abhandlung „Subjektivierung und Kohäsion“ ausgearbeitet. Eine ihrer wichtigsten Thesen ist, dass das Recht nicht von der ökonomischen Basis abgeleitet werden sollte, sondern vielmehr seine eigene Basis bildet. Sie kritisiert dabei die klassischen marxistischen Rechtstheorien unter anderem dafür, dass sie der Komplexität von Herrschaftsverhältnissen nicht gerecht werden. Es brauche vielmehr eine intersektionale Perspektive, die Strukturprinzipien wie „gender, race, sexuality“ berücksichtige.12
Angela Davis: Intersektionale Strafrechtskritik
Eine solche intersektionale Auffassung von Herrschaftsverhältnissen findet sich beispielsweise bei Angela Davis. Die US-amerikanische Aktivistin und Philosophin wurde bei ihrem Studium beiMarcuse, Adorno und Horkheimerstark durch die Kritische Theorie und somit auchvon Ansätzen beeinflusst, die auf Karl Marx zurückgehen. Ihr wichtigster Einfluss war jedoch W.E.B Du Bois, der Autor der revolutionären Abhandlung „Black Reconstruction“. Du Bois kritisierte in seinem Werk den strukturellen Rassismus in den USA um 1935 und verband diesen mit einer marxistischen Analyse der ökonomischen Verhältnisse. Seine Kritik gipfelt in der Forderung nach einer abolitionistischen Demokratie. Diesem Konzept zufolge reiche die Abschaffung der Sklaverei noch nicht aus. Es bedürfe vielmehr dem Ausbau von sozialer und politischer Teilhabe, um eine gerechte Gesellschaft ohne Rassismus zu errichten.
Im Anschluss an diese abolitionistische Theorie entwickelte Davis dann ihr eigenes Konzept der „Abolition Democracy“. Unter dem Eindruck ihrer Erfahrungen in US-amerikanischen Gefängnissen bezieht sie ihr Konzept insbesondere auf den Gefängnisabolitionismus. Im Folgenden sollen zwei Kritikpunkte aus „Abolition Democracy“ dargestellt werden, die bereits an der Idee des staatlichen Rechts auf Strafe ansetzten oder sich auf diese beziehen lassen.
Vor dem Gesetz sind (nicht) alle gleich
Davis kritisiert zunächst die abstrakte Sichtweise, die das Recht auf die Menschen hat. Das Recht sei „color-blind“: Gerade die Zuschreibungen, die dazu führen, dass Menschen besonders häufig durch das Strafrechtssystem unterdrückt werden, würden nicht berücksichtigt. Denn das abstrakte Recht behandele marginalisierte Personen(gruppen) formal gleich wie Menschen, die nicht in diesem Sinne markiert werden.
„Because the person that stands before the law is an abstract, rights-bearing subject, the law is unable to apprehend the unjust social realities in which many people live.“ 13
Davislegt hier einen materialen Gleichheitsbegriff zugrunde, demzufolge nicht nur die Gleichheit „auf dem Papier“ entscheidend ist, sondern vielmehr die Frage, wie sich „gesellschaftlich manifestierte Herrschaftsverhältnisse“ wirklich auswirken.14
Das Problem der rein formalen Gleichheit hat der Poet Anatol France sehr anschaulich beschrieben. Er lobt in einem Gedicht die „majestätische Gleichheit des Gesetzes“, die sowohl „Reichen wie Armen verbietet, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen.“
Das Strafrecht garantiert keine Sicherheit
Den relativen Straftheorien zufolge strafen wir, um zukünftige Straftaten zu verhindern. Aber diese Hoffnung bleibt unerfüllt. Die Rückfallquoten sind immens hoch und die zwischenmenschliche Gewalt hört nicht auf. Die Sicherheit vor (erneuten) Verletzungen wird durch das Wegsperren nicht gewährleistet. Nun könnte maus sagen: „Dann sperren wir eben alle gefährlichen Menschen für immer weg, dann passiert auch nichts mehr.“ So einfach ist es aber nicht. Die Gefährlichkeit von Menschen ist kein anerkannter Grund für Strafe. Es soll nur zum Ausgleich der Schuld und zur Verhinderung von zukünftigen Straftaten gestraft werden, nicht um gefährliche Menschen auszuschalten. Nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz ist die Würde des Menschen unantastbar – und das gilt auch für Straftäter*innen.15
Es gilt also vielmehr, die strukturellen Ursachen von strafrechtsrelevantem Verhalten zu bekämpfen. Auch Davis zufolge fühlen sich die Menschen durch Gefängnisse zwar sicherer, aber seien nicht tatsächlich sicherer. Das Verurteilen der Gewalt von einigen wenigen verschleiere nach Davis lediglich die Gefahr, die vom Militär, der Polizei, profitorientierten Unternehmen und manchmal vom eigenen intimen Partner herrühre.16
Durch Gefängnisse, so Davis, werde vielmehr ein Vermeidungsverhalten sichtbar:
„According to this logic the prison becomes a way of disappearing people in the false hope of disappearing the underlying social problems they represent.“17
Dieser Kritikpunkt lässt sich gut an einer Szene aus den „Simpsons“ verdeutlichen: Homers Tochter Lisa sitzt in der Garage und fängt bitterlich an zu weinen. Homers Antwort darauf ist: „Oh, I can’t stand seeing one of my children like this.“ Daraufhin drückt er auf den Knopf, der das Tor zur Garage herunterfahren lässt, wodurch Lisa aus seinem Blickfeld verschwindet.18 Für Homer ist damit das Problem beseitigt.
Davis bezweifelt also die strukturelle Wirkung bzw. die präventiven Gestaltungsmöglichkeiten durch die Bestrafung einer einzelnen Person. Das Patriarchat verschwindet nicht mit der Verurteilung eines einzelnen Gewalttäters und Rassismus verschwindet nicht mit der Verurteilung eines einzelnen Nazis. Vielmehr sollten nach Davis soziale Institutionen geschaffen werden, die Menschen helfen, ein besseres und zufriedenstellenderes Leben zu führen. Anders ausgedrückt: Statt Wohnungslose wegzusperren, sollten lieber Wohnungen gebaut werden.19
Transformative Justice
Die Transformative Justice-Bewegung fragt deshalb „Was macht uns wirklich sicher?“ und sucht nach Methoden für den Umgang mit intimer Gewalt, die gleichzeitig die strukturellen Ursachen der Gewalt verändern sollen. Diese Bewegung hat ihren Ursprung in den USA, wo Frauen und queere Personen of Color „in den letzten zwanzig Jahren mit ganzheitlichen, gemeinschaftsbasierten Antworten auf sexuelle Beziehungsgewalt außerhalb des Staates experimentiert“ haben.20 In Deutschland ist das Konzept vor allem durch die Arbeit von aktivistischen Gruppierungen, wie z.B. dem Transformative Justice Kollektiv Berlin, ignite!, e*vibes oder KNAS[ ] bekannt geworden.21 Diese stellen das (noch recht offene) Konzept der Transformative Justice in Workshops vor und veröffentlichen auch bereits gemeinsam gesammelte Erkenntnisse.22
Öffentliche Aufmerksamkeit hat 2020 auch der Versuch erhalten, mit Methoden aus der Transformative Justice-Bewegung einen gerechten Umgang mit allen Betroffenen und dem Täter zu finden, der auf dem Festival „Monis Rache“ Menschen auf mobilen Toiletten gefilmt und die Videos auf einer Internet-Plattform für pornographische Inhalte veröffentlicht hatte.23 Bei diesem Vorhaben wurde jedoch gerade einer der wichtigsten Punkte missachtet, welcher Transformative Justice ausmachen sollte: Die tatsächliche Arbeit mit den Betroffenen.24 Die Gewohnheit, den Fokus allein auf den Täter zu legen, wie es auch die klassischen Straftheorien betreiben, konnte nicht abgelegt werden.25
Strategische Prozessführung: Rechte erkämpfen?
Die Begeisterung über den Strafrechts-Abolitionismus wird nicht von allen geteilt. Seit seiner Entstehungsphase ist er auch massiver Kritik ausgesetzt. Diese stammt nicht nur von Law-and-Order-Liebhaber*innen, sondern auch von progressiven Anwält*innen. Wenn das Strafrechtssystem so katastrophal ist, warum sollten diese Anwält*innen ihre Jobs dann noch machen? Was ist mit den Errungenschaften des Sexual-, des Wirtschafts- oder des Umweltstrafrechts?26
Die Antwort der aktuellen kritischen Rechtstheorie ist überraschend einfach: Das Recht kann in Bezug auf strukturelle Probleme nicht GAR NICHT helfen, sondern eben nur begrenzt.
Besprochen wird dieses Problem unter dem Stichwort „Strategische Prozessführung“. Bei dieser setzen Anwält*innen das Recht in Gerichtsverfahren „zur Förderung einer über den Einzelfall hinausgehenden Agenda“ ein.27 Mit anderen Worten: Sie wollen nicht nur den Prozess gewinnen, sondern auch politische Veränderungen erwirken. Das kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Der Rechts- und Politikwissenschaftler Maximilian Pichl führt in seiner Abhandlung einige emanzipatorische Effekte von „Rechtskämpfen“ an. Zum Beispiel können Errungenschaften sozialer Kämpfe (wie der lange Kampf um das Wahlrecht für Frauen) im Recht nachhaltig „verankert“ werden.28
Außerdem brauche es nach Pichl progressive Anwält*innen allein schon deshalb, weil selbstverständlich auch strategische Prozesse von autoritären Akteur*innen geführt werden können. Diese verfolgten dann beispielsweise das Ziel, den Rechtsstaat zu instrumentalisieren, „um rigorose Eingriffe von Polizei, Grenz- und Ausländerbehörden […] zu legitimieren“29 oder auch um die Klimabewegung zu stoppen.30 Dadurch könne sich im Ergebnis sogar das liberale Rechtsstaatskonzept und möglicherweise sogar die Rechtsdogmatik nachteilig verändern.31
So ergibt sich dann, mit Davis gesprochen, eine ganz andere Frage:
“[H]ow do we use the law as a vehicle of progressive change, while simultaneously emphasizing the importance of acknowledging the limits of the law.“32
Antwort: Beides gleichzeitig!
Progressive Anwält*innen müssen sich also nicht dafür rechtfertigen, eine problematische Institution für den Kampf für positive Veränderungen zu nutzen. Es gilt herauszufinden, wie wir anerkennen können, dass das (Straf-)Recht Grenzen hat, und es trotzdem für die Transformation zu einer gerechteren Welt nutzen können.
Gleichzeitig kann jedoch auch an einer Transformation des (Straf-)Rechts gearbeitet werden. Sofern das Ziel einer menschlichen, demokratischen, gewaltfreien Welt und eines menschlichen, demokratischen, gewaltfreien Rechts verfolgt wird, muss langfristig in aktivistischen, aber auch universitären Kontexten das Recht neu gedacht werden. Das bedeutet wiederum nicht, dass wir auf all die guten Eigenschaften und Effekte des Strafrechts verzichten sollen. Es geht nicht um einen Rückschritt zum Zustand vor dem Strafrecht, sondern darum, die negativen Seiten zu überwinden, ohne die positiven zu verlieren.
Kritische Strafrechtler*innen können aus den vorgestellten Perspektiven also Folgendes tun: Rechtskämpfe führen und/oder an einer abolitionistischen Neuerfindung des Strafrechts arbeiten.
Weiterführende Literatur:
Franziska Dübgen, Theorien der Strafe zur Einführung, 2016.
Friedrich Weißbach,Was ist Abolitionismus, Herr Loick? (Interview mit Daniel Loick), philosophie Magazin v. 15.07.2022, https://www.philomag.de/artikel/was-ist-abolitionismus-herr-loick.
Benno Zabel, Rechtskritik, in: Eric Hilgendorf / Jan C. Joerden (Hrsg.), Handbuch Rechtsphilosophie, 2017, 275.
1 Mike Laufenberg / Vanessa E. Thompson, Kritik der Sicherheit: Gesellschaftstheoretische und intersektionale Perspektiven, in: dies. (Hrsg.), Sicherheit: Rassismuskritische und feministische Beiträge, 2021, 7.
2 Amna A. Akbar, An Abolitionist Horizon for (Police) Reform, California Law Review 108 (2020), 1781 (1844).
3 Thomas Mathiesen, Überwindet die Mauern!: Die skandinavische Gefangenbewegung als Modell politischer Randgruppenarbeit, 1993, 190 ff.
4 Jochen Bung, Nietzsche über Strafe, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 119 (2007), 120 (135).
5 Gerlinda Smaus, Gesellschaftsmodelle in der abolitionistischen Bewegung, in: Johannes Feest / Brunilda Pali (Hrsg.), Gerlinda Smaus: „Ich bin ich“, 2020, 25 ff.
6 Sebastian Scheerer, Die abolitionistische Perspektive, Kriminologisches Journal 1984, 90 ff.
7 Vgl. Sonja Buckel, Subjektivierung und Kohäsion, 2. Aufl., 2015, 116 ff.
8 Vertiefend zur Sozialphilosophie Rahel Jaeggi / Robin Celikates, Sozialphilosophie: Eine Einführung, 2017.
9 Eugen Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus: Versuch einer Kritik der juristischen Grundbegriffe, 2003, 152.
10 Hierzu Daria Bayer, Die Rechtstodmetapher: Materialistische Rechtskritik und ihre Darstellung, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 106 (2020), 44 ff.
11 Differenzierter dazu Maximilian Pichl, Rechtskämpfe: Eine Analyse der Rechtsverfahren nach dem Sommer der Migration, 2021, 58 ff.; Buckel (Fn. 5), 94 ff.
12 Buckel (Fn. 5), 78.
13 Angela Davis, Abolition Democracy: Beyond Empire, Prisons, and Torture, 2005, 89.
14 Vgl. Anna Katharina Mangold, Mehrdimensionale Diskriminierung: Potentiale eines materialen Gleichheitsverständnisses, Rechtsphilosophie – Zeitschrift für Grundlagen des Rechts 2016, 152 (162).
15 Ausführlich hierzu Klaus Günther, Kritik der Strafe I, WestEnd 2004, 117; ders., Kritik der Strafe II, WestEnd 2005, 131.
16 Davis (Fn. 13), 39 f.
17 Davis (Fn. 13), 38.
18 The Simpsons, Season 15, Episode 22 (18:41).
19 Davis (Fn. 13), 37.
20 Vgl. Melanie Brazzell, Von negativer/strafrechtsfeministischer zu positiver/abolitionistischer Sicherheit: Transformative Gerechtigkeit für Betroffene von geschlechterbasierter Gewalt, in: Mike Laufenberg / Vanessa E. Thompson (Hrsg.), Sicherheit: Rassismuskritische und feministische Beiträge, 2021, 328 (330).
21 Vgl. zu weiteren Initiativen: https://www.transformativejustice.eu/de (Stand aller Links: 18.7.2022).
22 Melanie Brazzell, Was macht uns wirklich sicher?, 2018.
23 Ein Überblick über die Geschehnisse findet sich hier: https://monisrache.wtf.
24 FLINTA*ktion, Ein zäher Prozess, Missy Magazine 02/2021, 63.
25 Ausführlich hierzu Tatjana Hörnle, Straftheorien, 2. Aufl., 2017, 37 ff.
26 Vgl. zu einer positiven Sicht auf Transformative Justice aus Anwält*innen-Perspektive Ronska Grimm / Anya Lean, Kollektive Verantwortungsübernahme und transformative Gerechtigkeit: Alternative zum Rechtssystem?, https://bit.ly/3BmB6np.
27 Lisa Hahn, Strategische Prozessführung: Ein Beitrag zur Begriffsklärung, Zeitschrift für Rechtssoziologie 39 (2019), 5 (20).
28 Pichl (Fn. 11), 70.
29 Pichl (Fn. 11), 68.
30 Thorsten Deppner, Getting SLAPPed – Strategische Prozessführung gegen die Klimabewegung, Juridicum 2022, 124 ff.
31 Pichl (Fn. 11), 68.
32 Davis (Fn. 13), 88.