Ein Teilnehmer des Cristopher Street Day 2016 in Köln behauptet, die Polizei habe ihn im Anschluss an die Parade misshandelt und homophob beleidigt. Nach einem bereits beendeten Streit in einem Fast-Food-Restaurant im Kölner Hauptbahnhof sollen Polizeibeamte den Mann so heftig geschlagen haben, dass er mit dem Kopf gegen eine Wand knallte und anschließend bewusstlos zu Boden ging. Nachdem ihn die Polizisten zu einem Polizeiauto getragen haben, soll er dann geschlagen und getreten sowie im Auto homophob beleidigt worden sein.
Anschließend sei er lediglich mit Unterhose und T-Shirt bekleidet für rund sieben Stunden in Polizeigewahrsam genommen worden. Dort soll er erneut getreten und ihm soll – ohne richterlichen Beschluss – Blut abgenommen worden sein. Bei seiner Entlassung kurz nach Mitternacht seien seine Kleider vollständig durchnässt gewesen.
Nachdem der Betroffene den Vorgang öffentlich gemacht hatte und in sozialen Netzwerken nach Zeugen suchte, erstattete – wie in solchen Fällen nicht ungewöhnlich – die Polizei Strafanzeige gegen ihn wegen Widerstand, Körperverletzung, Beleidigung und falscher Verdächtigung. Am 9. Mai 2018 sprach ihn das Amtsgericht Köln von allen Vorwürfen frei. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Berufung ein und forderte nunmehr noch eine Verurteilung wegen Widerstand und Beleidigung. Doch auch der Richter am Landgericht Köln sprach den Mann wiederum frei. Anschließend entschuldigte sich der Richter im Namen des Staates bei ihm: nahezu alle Maßnahmen der Polizei seien rechtswidrig gewesen. Die Staatsanwaltschaft lässt sich hiervon nicht beeindrucken: das Verfahren geht nun in die Revision ans Oberlandesgericht. Die eingesetzten Polizeibeamten mussten sich bislang nicht vor Gericht verantworten.
Angesichts solcher Fälle ist es kein Wunder, wenn eine an der Ruhr-Universität Bochum durchgeführte, nichtrepräsentative Studie zu „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“ im Zwischenbericht vom 17. September 2019 zu dem Ergebnis kommt, dass nur ein geringer Teil rechtswidriger Polizeigewalt zur Anzeige führe. Das Dunkelfeld sei bei solchen Taten fünfmal so groß wie das Hellfeld. Als Gründe dafür geben die Forscher unter anderem an, dass die Betroffenen oft nicht davon ausgehen, mit ihrer Klage Erfolg haben zu können und dass sie zudem häufig mit einer Gegenanzeige durch die Polizei rechnen. Der beschriebene Fall zeigt deutlich auf, woher solche Befürchtungen stammen und dass sie durchaus eine reale Grundlage haben.
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