Heft 3 / 2001:
Datenspuren
Überwachung in der digitalen Welt
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Baden-Württemberg: ein Land zahlt Erziehungsgeld
 

Am 8. Februar 2001 bestätigte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim ein Urteil des Verwaltungsgerichtes (VG) Karlsruhe. Dieses gab einer türkischen Mutter Recht, die für ihr Kind Landeserziehungsgeld (LErzG) beantragt hatte.
Mit dem LErzG setzt Baden-Württemberg die Unterstützung mit Erziehungsgeld durch den Bund nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) um ein Jahr fort: Familien, in denen zumindest ein Elternteil keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt, werden während der ersten zwei Lebensjahre ihres Kindes mit 600 DM monatlich unterstützt. Das Land zahlt hieran anschließend auf Grundlage der Haushaltsbeschlüsse für ein weiteres Jahr 400 DM im Monat.
Bislang wurde entsprechend der Richtlinie des zuständigen Ministeriums (Nr. 3.1.1 RL-LErzG) diese Leistung nur deutschen InländerInnen, sowie Angehörigen der EU und EFTA-Staaten gewährt. Diese Vergabepraxis ist nach Auffassung des VG Karlsruhe rechtswidrig, sie verstoße gegen den Assoziationsratbeschluss EWG-Türkei Nr. 3/80 (ARB Nr. 3/80). In diesem Abkommen zwischen der Türkei und der EU ist ein Diskriminierungsverbot vereinbart: türkische und EU-ArbeitnehmerInnen sollen im Bereich der sozialen Sicherheit, wie z.B. nach Art. 4 Abs. 1 des Abkommens bezüglich Familienleistungen, rechtlich gleichgestellt sein.
Gegen das Urteil ging die Landesregierung in Berufung und bekam Unrecht. Zwei Aspekte der VGH-Entscheidung, die sich in wesentlichen Punkten auf die höherrangige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) beruft, sind besonders interessant: Entgegen der Rechtsauffassung der Landesregierung ergeben sich für türkische Staatsangehörige aus dem ARB Nr. 3/80 unmittelbar gerichtlich durchsetzbare Ansprüche auf Gleichbehandlung. Darüberhinaus stellte der VGH klar, dies umfasse auch von der Arbeitnehmereigenschaft unabhängige Ansprüche, so auch Familienleistungen wie z.B. Erziehungsgeld. Damit widersprach das Gericht, angelehnt an die EuGH-Judikatur, einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Rechtslage scheint jetzt geklärt, auch wenn das Urteil aus formalen Gründen zur Revision zugelassen wurde. Die Überlegung des Sozialministers Friedhelm Repnik, diese Möglichkeit dennoch wahrzunehmen, deutet darauf hin, dass er, um Mehrausgaben (im Jahr 2001 ca. 16 Millionen DM) zu vermeiden, auf Zeit spielt. So kann man zumindest seine Ankündigung deuten, türkischen Berechtigten LErzG erst zu zahlen, wenn das Urteil rechtskräftig ist.

Maike Hellmig, Köln.

Quellen:

VGH Mannheim, 1 S 286/00, vom 15.3.2001; VG Karlsruhe, 14 K 1335/99, vom 12.7.1999