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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mal wieder in bezug auf ausländerrechtliche
Angelegenheiten gesprochen. Es geht hierbei um eine Klage einer sechsköpfigen
Familie aus Libanon, der 1996 aufgrund von Abschiebungshindernissen eine
räumlich unbegrenzte Aufenthaltsbefugnis gem. § 53 Abs. 6 Ausländergesetz
iVm § 70 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz in Niedersachsen erteilt wurde. Nach
einem Umzug nach Berlin wurde die Aufenthaltsbefugnis verlängert. Allerdings
wurde der - erlaubte - Wohnortwechsel bemerkt und daraufhin die Sozialhilfeleistung
eingestellt.
Diese Maßnahme stützt sich auf den umstrittenen § 120 Abs. 5 Bundessozialhilfegesetz
(BSHG), der vorschreibt, daß AusländerInnen, die eine räumlich nicht beschränkte
Aufenthaltsbefugnis besitzen, wenn sie sich außerhalb des Bundeslandes
aufhalten, in dem die Aufenthaltsbefugnis erteilt worden war, die Sozialhilfe
verweigert werden darf. "Glorreicher" Zweck dieser Regelung soll sein,
eine finanzielle Belastung von Sozialhilfeträgern einzelner Bundesländer
zu vermeiden. Die mögliche Einführung einer belastungsgerechten Verteilung
der Sozialhilfeleistungen gem. § 107 BSHG verwarf das BVerfG, da dadurch
nicht dem Mißbrauch der mehrfachen Inanspruchnahme der Sozialleistungen
entgegengewirkt werden könne. Der weitere erzieherische Zweck des § 120
Abs. 5 BSHG ist es, die Einhaltung der ausländerrechtlichen Aufenthaltsbeschränkungen
zu forcieren.
Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
gem. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz ist laut BVerfG durch diese Beschränkung
nicht ersichtlich. Zwar steht dieses Grundrecht, das die freie Wahl des
Aufenthaltsortes und des Wohnsitzes in Deutschland einschließt, auch AusländerInnen
zu, Einschränkungen "im überwiegenden Interesses der Allgemeinheit" sind
aber zulässig, wenn der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung
nicht berührt wird.
Im vorliegenden Fall ist dieser nicht verletzt, da der Familie die freie
Wahl des Wohnortes entsprechend ihrer Lebensvorstellung in Niedersachsen
gewährt wird. Laut BVerfG dient dies auch den AusländerInnen - für ihre
Integration in Deutschland.
Die momentane Lage der libanesischen Familie wird dabei herzlich wenig
gewürdigt. Diese lebt bereits seit 4 Jahren in Berlin. Ein Umzug würde
sie sehr hart treffen. Die Kinder gehen dort zur Schule. Der Ehemann erzielt
aus einer geringfügigen Beschäftigung Einnahmen. Außerdem wurde ihnen
mitgeteilt, daß eine Wohnung am ursprünglichen Aufenthaltsort nicht zur
Verfügung stehe.
Das BVerfG läßt die schwierigen und harten Konsequenzen des Urteils für
die Familie kalt - viel zu groß muß die Angst vor AusländerInnen sein,
die unkontrolliert und wild auf der Suche nach immer mehr und mehr staatlichen
Geldern quer durch Deutschland ziehen und ...
Annelie Jaschinski, Berlin.
Quelle:
BVerfG, 1 BvR 781/98, vom 9.2.2001, www.bundesverfassungsgericht.de
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